Die Hure Und Der Moench
hat ihm sein Herrgott nun die Pest an den Hals geschickt. Hütet Euch vor den Anhängern dieses Mannes, Signorina! Euch wird ein großes Unrecht geschehen, ich sehe es in Euren Augen.« Wie konnte die Frau das an ihren Augen sehen? War es die Angst, die sie, Angelina empfand?
»Mir ist schon Unrecht geschehen«, erwiderte sie. Sollte sie einer Fremden vertrauen?
»Man hat Euch bedroht, nicht wahr?« Woher konnte die Frau das wissen?
»Ja«, erwiderte Angelina.
»Es war gewiss einer von diesen
Fanciulli,
mit denen Savonarola sich umgibt«, meinte die Zigeunerin.
»Nein, er war älter.« Jetzt war es doch heraus.
»Habt Ihr ihn erkannt?«
»Nein«, antwortete Angelina. »Er hatte seine Kapuze ganz heruntergezogen und ich glaube, er sprach mit verstellter Stimme.«
»Jemand wird Euch verraten«, sagte die Alte mit düsterer Stimme. »Aber es wird auch jemanden geben, dem Ihr vertrauen könnt und der Euch helfen wird.«
»Wer wird mich verraten?«, rief Angelina. Sie war wie gelähmt vor Angst.
»Das kann ich nicht sagen«, erwiderte die Alte. »Ich sehe nicht mehr gut, aber vor meinem inneren Auge erscheint ein junger Mann auf einer Bahre.«
»Um Himmels willen, nein!«, rief Angelina in höchster Angst. »Hört auf, ich will es nicht wissen!«
|78| »Nur das Wissen darum kann Euch davor bewahren, in ernstliche Gefahr zu geraten«, beschied die Zigeunerin. »Ihr werdet noch an mich denken.« Mit diesen Worten wandte sie sich um und nahm den Weg bergab. Angelina stand wie erstarrt. Sie sah die Gestalt der Alten, immer ein Bein nachziehend, kleiner und kleiner werden.
Endlich löste sie sich aus ihrer Erstarrung. Sie wollte der Frau nicht folgen, wer weiß, wohin das führen würde. So ging sie denselben Weg zurück, den sie gekommen war. Inzwischen hatte sich die Dämmerung herabgesenkt. Es war kühler geworden. Die Grillen zirpten, eine Fledermaus huschte zwischen den Bäumen hin und her. Sie begegnete niemandem mehr auf ihrem Weg und war heilfroh, als sie das Haus der Scroffas erreichte. Eine Öllampe tauchte die Terrasse in ein warmes Licht, wie um Angelina zu trösten. Sie erzählte niemandem von dem, was sie erlebt hatte. Ohne noch etwas zu sich zu nehmen, begab sie sich auf ihr Zimmer.
Der Morgen zog mit Nebeln herein, die sich jedoch bald verflüchtigten. Am späten Vormittag, als Angelina im Schatten eines Baumes ein Buch las, kam eine Dienerin und kündigte Sonia und Lucas Bandocci an. Freudig sprang Angelina auf. Die beiden stiegen gerade aus ihrem Wagen. Ihre Gesichter verhießen nichts Gutes. Ob etwas geschehen war? Dunkle Ahnungen stiegen in Angelina auf. Signora Scroffa erschien auf der Terrasse und hieß die Gäste willkommen. Wie es mit dem schwarzen Tod in Florenz stünde, wollte sie wissen. Wo war Francesco?
»Die Pest wütet von Tag zu Tag mit vermehrter Grausamkeit«, berichtete Lucas. »Ständig ziehen die Leichenwagen durch die Straßen; die Pestärzte haben alle Hände voll zu tun. Aber sie können kaum jemanden retten.«
»Wie konnte sich die Seuche so schnell ausbreiten?«, fragte Angelina. »Von einem Tag auf den anderen?«
»Sie war schon länger da, aber das wurde von der Signoria vertuscht.« Angelina erinnerte sich an die frühen Zeichen, die sie gesehen hatte. Selbst die Ratten konnten etwas damit zu tun haben.
|79| Lucas seufzte: »Es sind an jedem Tag etwa fünfzig Personen, Arme und Reiche, die der Krankheit zum Opfer fallen.«
»Wenn sie sich nicht aufs Land gerettet haben, so wie Ihr«, meinte Sonia mit Blick auf die Herrin.
»Wir nehmen immer Gäste auf, so viel wir unterbringen können«, entgegnete die Gräfin sanft. »Ihr seid herzlich eingeladen, den Sommer hier mit uns zu verbringen.«
»Und was ist mit Francesco?«, rief Angelina. Sonia schlug die Augen nieder. Auch Lucas drehte und wand sich.
»Was ist mit Francesco?« Ihre eigene Stimme war Angelina fremd geworden.
»Er ist …«, stammelte Sonia.
»Ist er tot?« Angelina wurde es schwarz vor den Augen.
»Nein, um Himmels willen«, beeilte sich Lucas zu sagen. »Es ist nur … Er ist überfallen und so zusammengeschlagen worden, dass er in Botticellis Haus liegt und von einem Bader gepflegt werden muss. Wir können froh sein, das er noch am Leben ist.«
»Wer war das? Wer kann so etwas getan haben?«, fuhr Angelina auf.
»Wir vermuten, dass es
Fanciulli
waren, die ihn«, er räusperte sich, »Euch beide während einer Sitzung gesehen haben.«
Ihr fuhr der Schreck in alle Glieder. Sie waren
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