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Die Huren des Apothekers

Die Huren des Apothekers

Titel: Die Huren des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stöckler
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Munde, da trat Luzia schon aus der Tür und schloss sie hinter sich. Sie atmete tief durch. Eigentlich sollte sie es genießen, im Mittelpunkt der Fürsorge ihrer Schwägerin und der Kammerfrau zu stehen. Nur manchmal vermisste sie die Freiheit, die sie als herumziehende Krämerin genossen hatte, das Gefühl, jederzeit tun und lassen zu können, was sie wollte, zu kommen und zu gehen, wie es ihr beliebte. Sie hatte all das gegen die Sicherheit eines gutsituierten Haushalts eingetauscht, war die Gattin eines kleinen Adligen geworden, die Frau eines Gelehrten. Nie wieder würde sie Not leiden, weder sie noch ihr Kind. Ihre Hand streichelte über ihren Bauch, der sich sanft rundete. Noch merkte sie nicht viel von dem Leben, das darin heranwuchs, vermisste auch die liebevollen Gefühle, die man einer Schwangeren zuschrieb. Doch das sei nicht ungewöhnlich, hatte die Hebamme in Amorbach gesagt, die erste Schwangerschaft sei etwas Besonderes. Viele Mütter könnten ihr Kind erst lieben, wenn ihre Blicke sich das erste Mal trafen.
    Luzia beobachtete den Himmel, der sich grau über den Wald legte. Gar kein Vergleich mit dem Altweibersommer der letzten Tage, bald würde es regnen, doch ihrer Laune entspräche ein heftiges Gewitter. Zu gerne würde sie der sauberen Frau Mechthild mal den Kopf zurechtsetzen! Sonnte sich in ihrer Wohltätigkeit wie eine Schlange im Heidekraut, dabei ließ sie sich bedienen von unentgeltlichen Arbeitskräften, die nicht einmal ausreichende Kost zu ihrer unwürdigen Unterkunft bekamen! Für all den Applaus über ihre Mildtätigkeit bot dieses Miststück nicht einmal so viel auf, wie sie für gewöhnliche Bedienstete zahlen müsste. Ganz einmal abgesehen von dem unredlichen Gelderwerb ihres Gatten! Schon der Gedanke daran, dass er altehrwürdige Reliquien zu Pulver zerrieb, ließ Luzia die Fäuste ballen.
    Nur die Ruhe, gebot sie sich selbst. Diese Frau war die Nachbarin und notgedrungen lebten sie nebeneinander. Es mochte jederzeit passieren, dass sie aufeinander angewiesen waren. Da mussten nicht einmal die vielbeschworenen Räuber kommen, ein heftiger Schneefall konnte schon verhindern, dass sie den Berg verließen. In solchen Fällen wurde es bitter nötig, einen freundlichen Nachbarn in der Nähe zu wissen.
    Trotzdem würde Luzia sich nicht verkneifen, ein wenig zu sticheln, um die Selbstgerechtigkeit der ach so guten Frau anzukratzen. Sie straffte die Schultern und schritt zügig über den Kiesweg zum Eingangsportal. Noch bevor sie die Hand zum Klopfen hob, wurde die Tür aufgerissen und eine der jungen Frauen knickste vor ihr.
    Luzia zwang ein Lächeln in ihr Gesicht. »Wo finde ich Frau Mechthild?«
    »Die gnädige Frau befindet sich mit ihrem Gatten im Anbau und darf nicht gestört werden.« Das Mädchen schlug den Blick nieder und knickste erneut. »Verzeihung bitte.«
    »Kann mich jemand melden?«
    Ohne aufzusehen schüttelte die Hochschwangere den Kopf und knetete verlegen ihre Schürze in den Händen. Luzia spürte deutlich, wie unangenehm es der jungen Frau war, dass sie am liebsten davongelaufen wäre. »Dann schaue ich mich um und klopfe selbst am Anbau.«
    Ein Hauch Röte überlief das Gesicht der Pförtnerin, als sie einen Augenblick zu Luzia sah. »Madame, das wird keinen Erfolg haben. Darinnen mag es laut zugehen und trotzdem hört man draußen keinen Pieps. Genauso dringt das Klopfen an der Tür nicht hinein.«
    Luzia zuckte die Schultern. »Dann wird es auch nicht stören, wenn ich es versuche. Danke, ich finde mich selbst zurecht.«
    Das stimmte zwar nicht, denn Luzia kannte das Anwesen nur vom Blick aus dem Fenster und dem Besuch gestern Abend, wo sie nur die Repräsentationsräume gesehen hatte, aber sie wollte sich das Gebäude diesmal mit ganz anderen Augen ansehen. So fiel ihr Blick auch gleich auf das Türschloss, auf dessen Klinke die Hand des Mädchens ruhte. Von innen gab es mehrere Riegel mit Schlüsseln, die aber einem Eindringling wenig Widerstand boten, als ob eher jemand gehindert werden sollte, auszubrechen.
    Mit einem erneuten Lächeln wandte Luzia sich ab und schritt die Stufen zu den Blumenbeeten hinunter. Auf dem Gartenweg drehte sie sich um und ließ ihren Blick über die Fassade schweifen. Jedes Fenster im Erdgeschoss besaß ein Gitter, wenn auch einige nicht verglast waren und nur Holzläden von innen vorgelegt werden konnten. Schon von ihrem Schlafzimmer aus hatte Luzia bemerkt, dass ohne Leiter oder Klettergerät ein Einbruch kaum möglich

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