Die Huren des Apothekers
innen gab es, wie im Haupthaus auch, mehrere Riegel, mit denen sich jemand sicher einschließen konnte. Das bedeutete, solange ein Bewohner drinnen war, konnte man den Anbau als einbruchsicher bezeichnen. Allerdings war das von außen zu bedienende Schloss zwar schwer und groß, hielt einem Angriff mit Hebel oder Rammbock sicher gut stand, jedoch schien der Schließmechanismus nicht allzu kompliziert.
»Was gibt es denn so Dringendes?«, fragte Mechthild mit gestrenger Miene.
Luzia tat überrascht. »Dringendes? Nachbarin, ich wollte meine Aufwartung machen und mit dir plaudern. Kündigte dein Gatte nicht die Karawane an und lud mich ein, die avisierten Wunderdinge anzuschauen?«
Es arbeitete in Mechthilds Gesicht, sie wusste offenkundig nicht, wie sie ihre Ablehnung geziemend ausdrücken sollte. Luzia nahm ihr die Arbeit ab und neigte mit betretener Miene den Kopf. »Ach, Nachbarin, sollte ich ungelegen kommen? Ich bedachte nicht, dass eine Warenlieferung mit nicht unbedeutenden Unbequemlichkeiten einhergeht. Liebste Frau Mechthild, störe ich dich etwa bei der Arbeit?«
Hochmütig hob sie die Nase. »Arbeit? Nachbarin! Nein, ich begleitete lediglich meinen Gemahl, die Waren zu sichten. Alles befindet sich bestens: eine hervorragende Lieferung aus dem Orient.« Ihre Finger rieben nervös aneinander, die Lippen schmatzten bei der Suche nach einer Ablenkung vom Thema. »Und die Dienstmägde? Betragen sie sich?«
»Oh ja, sehr. Deshalb kam ich auch, um mich für die Freundlichkeit ihrer Überlassung zu bedanken. Mein Gemahl wird dem Refugium bei Gelegenheit eine angemessene Summe zukommen lassen. Er spendet oft für das Heil der Minderbemittelten.«
Mechthilds Lippen zuckten, als ob sie lächeln wollte. »Die armen Dinger werden das zu schätzen wissen. Wohltätigkeit ist Christenpflicht und ich tue mein Möglichstes für diese Sünderinnen. Darf ich dir einen Becher Wein anbieten? Oder …« Sie schob sich geheimnistuerisch vor. »… Mein Gemahl bereitete vor zwei Tagen ein Quantum Hypocras zu. Er benutzte dazu ein Rezept aus einem französischen Manual, das zum Würzen Nelken, Muskat und einen Hauch Pfefferminze bestimmt, dazu …« Sie beugte sich noch näher. »… Rohrzucker!«
Luzia liebte den Geschmack von Honig, gegen den sie den Neuweltzucker einfach nur fade fand, medizinische Wohltat oder nicht. Trotzdem gab sie sich beeindruckt. »Sag! Frau Nachbarin, dieses Angebot ehrt mich, allerdings überraschte mich auf dem Weg hierher ein Regenguss und da zöge ich vor, mich in meinem Heim umzuziehen. Wer weiß, was man sich holt, durchnässt zu dieser Witterung! Du erlaubst, dass ich mich zurückziehe? Jedoch …« Auch Luzia konnte verschwörerisch zwinkern. »… den Wein werde ich mir ein andermal zugutetun!«
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Elße knickste mit den anderen zum Abschied noch einmal vor der Köchin des Gelehrten, zog sich ihr Schultertuch über den Kopf und beeilte sich, den Weg zurück zur Unterkunft durch den Regen zu laufen. An der Mauer zwischen den beiden Anwesen zögerte sie kurz vor der Pforte.
»Geht schon mal voran. Ich komme gleich nach«, rief sie den anderen zu. Aurelie grinste.
»Scheiß nicht zu dicht am Weg, sonst schlägt unsere Gönnerin dich!«
Hitze flutete Elßes Gesicht. Würde sie sich je an diese grobe Sprache gewöhnen? Verlegen wandte sie sich ab und ging zwischen die Bäume, die entlang der Mauer standen und später in Wald übergingen. Ihre Füße hinterließen eine deutliche Spur im herabgefallenen Laub, aber der Regen würde sie bis zum Morgen verwischen. Unter der Schürze ballte sie die Faust um das Stück Papier mit den wirren Zeichen, das sie vom Tisch in der Bibliothek des Gelehrten gestohlen hatte. Schämen sollte sie sich, die Gastfreundschaft der guten Frau so zu lohnen! Sicher war es nur ein Zettel, auf dem unter den Strichmännlein schon mal etwas geschrieben und ausradiert worden war, von dem es sicherlich nicht auffiel, dass er fehlte, nichtsdestotrotz blieb es Diebstahl. Das gleiche vom Tisch der Frau Mechthild zu nehmen, hätte Elße kein Gewissen bereitet.
Die Strecke bis zum Friedhof zog sich unangenehm lang. Wenn die letzten Strahlen der Sonne den Horizont erreicht hatten, würde Mechthild unbarmherzig die Tür verriegeln, egal ob Elße noch draußen war oder nicht. Die Frau des Gelehrten würde ihr Obdach für die Nacht geben, zog ein Gedanke durch Elßes Kopf. Würde sie das? Auch das Haus mit dem Turm besaß starke Mauern und feste Türen, damit Gesindel draußen
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