Die Huren des Apothekers
war. Heute mögen es Horden sein, die durch das Land streifen und Kutschen und Karren anhalten, bis die Wertsachen herausgegeben werden. Damals hörte man von einem einzelnen gemeinen Mörder, der nur aus Lust am Töten Reisende überfiel.«
Vor Elße entstand das Bild des Fremden, der in der Nacht den Knecht Endres erschlagen hatte, wie grausam seine Augen ausgesehen hatten. Sie schauderte. »Wie kann ein Mensch so etwas einem anderen antun?«
»Dreißig Jahre ist es her, da zog er herum und wartete auf Schwangere, damit er sie aufschneiden konnte.«
Ungläubig riss Elße die Augen auf. »Das kann nicht wahr sein! Wer tut so etwas?«
Aurelie, ein Mädchen aus Coelbe, gesellte sich zu ihnen. »Von Peter Nirsch redest du, stimmt’s, Maria? Auch meine Mutter erzählte von ihm. Ja, er schlitzte seine Opfer auf und fraß das Kind aus ihrem Leib, solange die Mutter noch lebte und ihr Blut auf den Boden spritzte.«
»Nein, das will ich nicht hören«, rief Elße und wandte sich ab. Heftig schwang sie die Hacke und stach auf die Erde ein. Das bewahrte sie aber nicht davor, den Schauergeschichten der beiden anderen zu lauschen.
»Die Brüste schnitt er den Müttern ab und stach ihnen die Augen aus. Dann ließ er sie so liegen, den Krähen und Wölfen zum Fraß.«
»Noch grausiger trieb es der Gniperdoliga, der seine Lehrzeit beim Nirsch verbrachte. Tausend Menschen erschlug er, die doppelte Anzahl seines Meisters. Er hielt sieben Jahre eine Frau gefangen, damit sie ihm leckere Kinder gebar. Diesen Schmaus verzehrte er, um durch Satans Hilfe unsichtbar zu werden.«
»Hört auf!«, schrie Elße und hielt sich die Ohren zu.
Betroffen schauten die beiden sie an. Aurelie drehte sich herum und jätete weiter Unkraut, Maria legte Elße die Hand auf den Arm. »Entschuldige, wir wollten dich nicht ängstigen. Sei nur unbekümmert, hier sind wir sicher. Beide Mörder wurden gefasst und hingerichtet, beide mussten lange leiden, bis der Tod sie ereilte. So wurden ihre Seelen geläutert und bestimmt findet sich auch für sie ein Platz beim lieben Gott.«
»Sicher«, murmelte Elße und wandte sich ab. Sie suchte sich eine Ecke des Gartens, in der sie den anderen den Rücken zukehren konnte. Zum Glück fanden sie ein anderes Gesprächsthema, klatschten über Bekannte und die Stadtoberen. Beide hatten vor, ihre Kinder in Klöstern Nonnen zu überlassen und dann ihr Leben weiterzuführen wie vorher. Frau Mechthild vermittelte das, bot ihnen sogar an, dass sie das Kind nicht einmal anschauen mussten, nachdem es ihren Bauch verlassen hatte. Das würde Elße nie fertigbringen. Das Kind regte sich in ihrem Leib und unendliche Zärtlichkeit überkam sie. Sie ersehnte es, ihren Sohn oder ihre Tochter in die Arme nehmen zu können, über die zarte Haut zu streicheln, zu sehen, wie die winzigen Finger nach ihren griffen. Was würde sie nur tun können, damit es ihrem Kind gut ging?
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Luzia ließ sich von Trine in den Mantel helfen und wies die Köchin Nesse an, noch einen Löffel Walnussöl in den Mehlbrei zu rühren, den sie für die Schützlinge Frau Mechthilds bereitete.
»Was willst du nur da drüben?«, fragte Magdalene sie mit über der Brust gekreuzten Armen.
»Schau nicht so missbilligend! Ich bin neugierig. Und da der Apotheker so mit seinen Mumien geprahlt hat, wird er jetzt nicht zurückstecken können, wenn ich ihn bitte, sie mir einmal zu zeigen.«
Energisch schüttelte Magdalene den Kopf. »Und wenn du dich verguckst? Denke daran, dass eine Mumie grässlich anzuschauen ist! Du wirst dem Tod ins Auge blicken. Das kann nicht gut sein für das wachsende Leben in dir.«
»Ja, Herrin«, stimmte Trine ihr zu. »So manches Kind wurde schon mit Wolfsrachen und Hasenscharte geboren, weil die Mütter sich zu sehr mit dem Viehzeug beschäftigt hatten.«
Luzia lachte, auch wenn sie nicht ganz die Bedenken der beiden zur Seite schieben konnte. »Und werden auch Kinder mit Eutern oder Gänseschnäbeln geboren, weil sie von einer Melkerin oder Gänsemagd kommen? Ich weiß von einem Wolfsrachen-Kind, dessen Mutter nie in ihrem Leben einen Wolf zu Gesicht bekam. Zwölf war ich, als in Köln eine Verbrecherbande hingerichtet wurde, jeder von ihnen auf eine andere Art und mit besonderer Grausamkeit. Da musste jeder Bürger der Stadt zuschauen und es wurde keine Rücksicht auf Schwangere genommen. Nichts hörte man, dass danach missgestaltete Kinder das Licht der Welt erblickten.«
»Aber …« sagten Magdalene und Trine wie aus einem
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