Die Huren des Apothekers
knirschte. Diese Nacht würde er Nachricht bekommen, wohin Bärbel geflohen war. Vielleicht – seine Miene entspannte sich – begrüßte sie ihn mit dem neugeborenen Kind? Ob er tatsächlich Vater geworden war? Ob es für ihn einen Sohn oder eine Tochter gab?
»Sagst es aber net meinem Vater, gell?«, bat Seyfrid.
Frank lächelte kurz und strich ihm über den Kopf. »Niemals. Wenn du zur See gehst, vielleicht schaffst du es, Kapitän einer großen Galeone zu werden?«
Die Augen des Jungen blitzten und er fuhr mit der Axt durch die Luft, als ob er ein Schiffchen im Bach bewegte. Vergessen waren Richtblock und Schwert, er rannte davon und ließ seinen Träumen freien Lauf.
Kurz beneidete Frank ihn ob seines kindlichen Gemütes, dann drehte er sich herum und griff wieder zur Schaufel. Gleich alle drei übrigen Räder sollten gesäubert werden, hatte Ottmar befohlen. Und diesmal half kein Wendelin. Eigentlich missfiel Frank, diese Arbeit ganz allein zu erledigen, heute allerdings grub er ein besonders tiefes Loch. Ganz zuunterst fiel die Leiche des Strolches überhaupt nicht auf, den er der jungen Frau in der Nacht vom Halse geschafft hatte. Diesmal war ein Verbrecher seinem Henker ohne den Umweg über den Richter in die Hände gefallen, was Frank nicht im Geringsten bedauerte. Sich an einer Schwangeren zu vergreifen! Zum Glück war das Mädel klug, hatte schneller reagiert als Frank. Sie wusste dank der Bürgerkleidung, die er während seiner Nachforschungen trug, nicht, wer ihr Retter war, konnte ihn auch nicht verraten. Und hübsch war sie obendrein.
Frank nahm die Axt zur Hand und durchschlug die morschen Seile, die Knochen und Kleiderfetzen am Rad festhielten, und warf die Überreste auf die dünne Erdschicht, die den Vergewaltiger versteckte. Hier lag der Schelm genau richtig: am tiefsten Punkt des Schindangers.
Als er sich aufrichtete, fielen Franks Augen wieder auf Wendelin. Ertappt schlenderte der Idiot davon, pfiff unmelodisch vor sich hin. Wie lange verfolgte er Frank schon? Und wie viel hatte er von dem gesehen, was Frank tat?
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Der Erdklumpen war hart wie ein Stein, aber Elße schlug mit der Hacke so lange auf ihn ein, bis er zerfiel. Bei dieser Arbeit pochte ihr Herz so schnell wie in den letzten Tagen schon häufiger. Sie hatte den Eindruck, dass es gar nicht mehr aufhören konnte zu galoppieren. Ständig lebte sie in Furcht vor Frau Mechthild und den Knechten, jetzt musste sie sich auch noch vor dem Apotheker in Acht nehmen. Das Erlebnis der vergangenen Nacht tat nichts zur Beruhigung ihres wildgewordenen Herzens, und dann die Befragung durch die Frau des Gelehrten! Nett und fürsorglich hatte sie sich gegeben, freigiebig ihnen allen ein Frühstück serviert und versprochen, dass jede von ihnen dort immer etwas zu essen bekäme. Das war mehr, als Elße und ihre Schicksalsgenossinnen schon seit Langem gehört und erlebt hatten. Und doch … etwas verbarg diese Frau. Hinter diesen forschenden Augen steckte mehr als nur Ärger darüber, ob der Wohltätigkeit der Nachbarin betrogen zu sein. Frau Luzia gab sich nicht zufrieden damit, den Fehler der Apothekersfrau entdeckt zu haben, sie wollte mehr. Vielleicht die Betrügerin bloßstellen, sie strafen? Unwillkürlich würde die Schuld auf Elße fallen. Unter ihrer Schürze knisterte das Stück Papier aus der Bibliothek. Vor heute Nacht würde sie dem Mann schreiben müssen.
Ein Stein im Boden ließ die Hacke hell aufklingen, Elße packte ihn und warf ihn mit aller Gewalt zwischen die Bäume. Ein Schmerz zog durch ihren Rücken, sie blieb stehen und drückte das Kreuz durch, bis er verging. Von hier aus gab es einen wunderschönen Blick auf das geschäftige Marburg. Schon verständlich, warum der Gelehrte sich ausgerechnet hier niederließ. Die dicken Mauern des Herrenhauses würden einigem standhalten und wahrscheinlich sah das auch ein gieriger Räuber, weshalb er lieber mit seiner Bande weiterzog und weniger wehrhafte Bauernhöfe überfiel.
»Ich hörte viel von Räubern«, wandte sie sich an das Mädchen, das neben ihr Unkraut jätete. Die brünette Maria kam aus Marburg. Auch sie richtete sich auf und sah über die Stadt.
»In letzter Zeit hält es sich in Grenzen, da machen die Horden von Marodeuren den Räubern das Handwerk streitig. Vor einigen Jahren trieben sie so heftig ihr Unwesen in den Wäldern, dass niemand sich ohne Bedeckung auf die Landstraßen wagte. Doch nie war es so schlimm wie zu der Zeit, als meine Mutter ein kleines Kind
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