Die Huren des Apothekers
Die Hebamme in Amorbach hatte ihr prophezeit, dass die Schmerzen bis zur Niederkunft noch zunehmen und danach verschwinden würden. Da lohnte kein Aufwand und keine Kur, die Magdalene ihr wieder verordnen würde: eine Packung aus Kuhfladen, am liebsten in einem Stück, auf den schmerzenden Rücken gelegt, die Nacht auf dem Bauch liegend verbracht und am nächsten Morgen auf gar keinen Fall die Reste abwaschen. Luzia musste zugeben, dass die Wärme angenehm war und es eine kurze Zeit geholfen hatte, aber wenn Lukas sich wieder fünf Tage von ihr fernhielt, länger als die Linderung dauerte … das wollte sie nicht noch einmal riskieren.
Während ihr gemarterter Rücken sich entspannte, zogen die Bilder des Tages an ihr vorüber, die schönen Häuser der Oberstadt, die engen Gassen, in denen gut gekleidete Damen flanierten, hagere Gelehrte an den Straßenecken gestikulierten, vertieft in Diskussionen über Gott und die Welt. Zum Glück hatte Magdalene diesmal zugestimmt, als ein Bursche sich als Kutscher empfahl. Ewalt habe schon aushilfsweise im Stall des Landgrafen gearbeitet, würde auch jederzeit wieder genommen, wenn die Reittiere der Gäste zu zahlreich für die regulären Bediensteten wurden. Außerdem könne er, da zwei Pferde seine Zeit nicht völlig in Anspruch nähmen, auch im Haus helfen, Stiefel putzen und Holz hacken. Kräftig genug sah er aus, wenn seine schiefen Zähne und die klobige Nase ihn auch nicht zu einem Schönling machten. Es beruhigte Luzia, einen starken Mann im Haus zu wissen, der mit einem Knüppel umzugehen wusste. Selbst wenn noch nie jemand gewagt hatte, sich unberufen dem Haus zu nähern, war so weit außerhalb der Stadtmauern Vorsicht geboten.
Eigentlich genoss Luzia die Ruhe hier draußen im Wald, nur der weite Weg für jegliche Besorgungen ärgerte sie. Mit einem eigenen Kutscher allerdings würde es nicht mehr bei seltenen Besuchen bleiben. Dann könnte sie öfter mit Magdalene einkaufen.
Wunderbare Stoffe hatten sie beide ausgesucht, die den Säugling warm und geborgen halten würden, wobei die Schwägerin freigiebig ihre Börse handhabte, genauso wie bei allem, was das Kind betraf. Immer wieder spürte Luzia, wie gerne Magdalene an ihrer Stelle wäre, wie sehr sie sich danach sehnte, auch Mutter zu werden. Nun, dazu fehlte Magdalene ein entscheidender Punkt: ein Mann. Jedes Mal, wenn ein solcher das Haus betrat, ein Kollege Lukas‘, ein Handwerker, ein Händler oder nur ein Bettler, verkrampfte sie die Schultern und hielt sich so fern wie möglich. Nicht einmal die Ehrenbezeugung der Gäste hielt sie aus, ohne vor Angst zu zittern. Wahrscheinlich hatte sie deshalb so lange gezögert, einen Burschen einzustellen.
Die Glocke der Turmuhr schlug, ein Geräusch, das Luzia anfangs jedes Mal hatte zusammenzucken lassen. Mittlerweile hörte sie nicht einmal mehr das leise Ticken des Uhrwerks im Turm und das Schlagen nur, wenn sie nicht schlafen konnte.
Magdalene würde niemals die Frau eines Mannes werden. Dabei erkundigten sich durchaus respektable Herren über sie. Gerade an der Universität fanden sich etliche, die sich für kein junges Ding begeistern konnten, die eine sittsame Dame in Magdalenes Alter bevorzugten. Allerdings - nicht jeder Mann konnte so stattlich sein wie Lukas. Luzia lächelte selig. Welches Glück sie hatte, ihn ihr Eigen nennen zu dürfen! Beim Gedanken an ihn ließ auch der letzte Schmerz in ihrem Kreuz nach, sie genoss die wohlige Wärme der Bettfedern. Zu ihrem Glück fehlte nur noch, dass er seine Studien sein ließ, zu ihr unter die Decke schlüpfte und sie in den Arm nahm. Seine Zärtlichkeit hatte in dem Jahr ihrer Ehe nicht nachgelassen, noch immer erglühte die Lust, wenn sie sich nur berührten. Auch die Schwangerschaft tat dem keinen Abbruch. Er verehrte ihren schwellenden Leib wie eine Reliquie, tat alles, Luzia zu gefallen, worauf sie mit ungewöhnlich starkem Begehren reagierte.
Aber auch andere Männer besaßen eine anziehende Erscheinung. Sie ließ die Gesichter seines Kollegiums an sich vorbeiwandern, wobei sie Heiterkeit unterdrücken musste. Warum sah sie ausgerechnet diese Trauerklöße vor sich, wenn sie nach Wohlgestalt forschte? Vielleicht sogar den verknöcherten Griesgram, dem sie morgen vorzügliche Gastfreundschaft angedeihen lassen würde, der sich nur um die Bücher ihres Gemahls bekümmerte? Die älteren Studenten trafen da so manches Mal eher ihren Geschmack. Das Bild des riesigen Henkers flackerte unerwartet vor Luzias
Weitere Kostenlose Bücher