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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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beschwichtigend die Hand auf den Arm und sagte mit fester Stimme: »Lass nur, Mutter. Ich gehe ihn holen.«
    Als sie die Küche betrat, saßen die Köchin, die Magd und der Hausknecht gerade beim Essen. Dienstbeflissen richtete sich die Magd auf und fragte: »Braucht Ihr etwas, gnädiges Fräulein? Soll ich kommen?«
    Die junge Frau warf ihr einen kühlen Blick zu. »Bleib sitzen, Traudel. Ich hole mir nur eine frische Schöpfkelle.«
    »War die andere denn nicht in Ordnung?«, erkundigte sich die Magd betreten.
    »Nein, nein, es ist schon alles recht«, entgegnete sie und trat an den Herd, über dem, aufgereiht an einer Eisenstange, die unterschiedlichsten Küchenutensilien hingen. Sie nahm eine Schöpfkelle und wollte die Küche schon wieder verlassen, als ihr Blick auf das lange Brotmesser fiel, das neben der Kochstelle auf einem Holzbrett lag.
    Ihre Gedanken überschlugen sich. Sollte sie … ? Die Bediensteten würden es vom Tisch aus nicht sehen können, weil sie davorstand und ihnen den Rücken zukehrte. Ihre Hand zitterte, als sie es am Griff packte und mit einer raschen Bewegung unter den Ärmel schob.

    Nachdem Alma und Irene sich oben im Zimmer ihrer Mäntel entledigt und ihr Gepäck verstaut hatten, kehrten sie in die Schankstube zurück. Gerade betrat eine Gruppe Kaufleute die Gaststube. Als die Männer Irene gewahrten, flackerte Begehrlichkeit in ihren Augen, und eh sie sich versah, wurde die schöne Hübscherin mit Avancen nur so überhäuft. Obgleich Irene von der langen Reise noch ziemlich erschöpft war, entschied sie sich für den erstbesten Galan und ging mit ihm aufs Zimmer.
    Als sie nach geraumer Zeit zurückkehrte, wiederholte sich das Schauspiel – und so ging es unter den missgünstigen Blicken der anderen Hübscherinnen mit kurzen Unterbrechungen weiter.
    Im Frauenhaus am Dempelbrunnen herrschte an diesem Abend ein Betrieb wie in besten Zeiten. Unter den Messebesuchern hatte es sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen, dass es dort eine Hübscherin gab, die schön sei wie die Sünde. So war die betörende Irene bereits am Vorabend der Frankfurter Fasten- und Frühjahrsmesse zur Attraktion des Frauenhauses geworden – neidisch beäugt von den anderen Huren, denen nur noch die Freier blieben, die Irene nicht bedienen konnte.
    Die Hurenkönigin, die gemeinsam mit der alten Irmelin und Alma an einem Schanktisch am Rande der Stube saß und das Schauspiel mit angehaltenem Atem verfolgte, sagte staunend: »So was habe ich in all den Jahren noch nicht erlebt. Die Kerle scharen sich ja um die Kleine wie Raben ums Aas!«
    Alma lächelte stolz. »Das kenne ich nicht anders bei Irene. Sie ist wie geschaffen für unser Gewerbe.«
    Gerade wollten die drei Frauen auf den erfolgreichen Abend anstoßen, da trat Irene in Begleitung eines vornehm gewandeten Mannes an den Tisch.
    »Das ist Sebastiano Visconti aus Mailand«, stellte sie ihren jungen Begleiter vor. »Er möchte die ganze restliche Nacht mit mir verbringen und zahlt dafür einen Golddukaten.« Geschäftstüchtig zwinkerte sie der Hurenkönigin zu.
    »Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden«, meinte Ursel zögerlich. »Nur, was machen wir dann mit Eurer Mutter? Sie kann Euch ja schlecht im Bett Gesellschaft leisten …«
    »Macht Euch um mich keine Sorgen, Zimmerin, ich kann hier unten in der Stube schlafen. Gebt mir einfach eine Decke, dann leg ich mich vor den Ofen«, schlug Alma vor.
    Die Hurenkönigin runzelte die Stirn. »Aber das geht doch nicht! Ihr seid auch nicht mehr die Jüngste, und auf dem harten Boden holt Ihr Euch bis morgen früh nur Kreuzschmerzen.« Sie musterte Alma mit nachdenklicher Miene. »Wisst Ihr was, teilt halt das Bett mit mir. Es ist breit genug für zwei, und für eine Nacht wird es schon gehen.«
    Almas Augen leuchteten auf. »Es ist mir eine große Ehre, von einer solchen Berühmtheit, wie Ihr das seid, so herzlich aufgenommen zu werden«, sagte sie erfreut. »Ihr seid eine richtige Heldin, Zimmerin. Die Huren im ganzen Land sind stolz auf Euch! Wisst Ihr das eigentlich?«
    Die Hurenkönigin lächelte geschmeichelt. »Das war mir nicht bewusst«, erklärte sie schlicht. »Ich habe nur getan, was getan werden musste.«
    Almas Augen glänzten vor Begeisterung. »Allerorts haben die Flugblatthändler verkündet, wie die mutige Hurenkönigin von Frankfurt dem teuflischen Adelspaar, das Huren grausam gequält und ermordet hat, auf die Schliche gekommen ist. Und dass Ihr dem Senat auch noch abgetrotzt habt, dass Ihr

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