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Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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nickte. »Ein interessanter taktischer Schachzug«, sagte er. »Der Schwarm hat einen Angriff mit schätzungsweise dreitausend Lanzetten begonnen, die eine Schere gegen die elektronischen Grenzen von Task Force 87.2 bilden sollten. Er wurde zurückgeschlagen, aber man muß die Gerissenheit einräumen, die ...«
    »Dreitausend Lanzetten?« unterbrach ihn Gladstone leise.
    »Ja, Ma'am.«
    Gladstone lächelte. Ich hörte auf zu zeichnen und sagte mir, daß ich froh sein konnte, nicht selbst derjenige zu sein, dem dieses Lächeln galt.
    »Hat man uns nicht während der gestrigen Konferenz gesagt, daß die Ousters sechs-, siebenhundert kämpfende Einheiten aufbieten würden, höchstens?« Morpurgo hatte diese Zahlen genannt. Gladstone wirbelte zu ihm herum. Sie zog die rechte Braue in die Höhe.
    General Morpurgo nahm die Zigarre aus dem Mund, betrachtete sie stirnrunzelnd und entfernte ein kleines Stückchen Deckblatt von den unteren Zähnen. »Das haben unsere Geheimdienstmeldungen übermittelt. Sie waren falsch.«
    Gladstone nickte. »Waren die KI-Ratgeber an der Ausarbeitung dieser Schätzungen beteiligt?«
    Aller Augen richteten sich auf Ratgeber Albedo. Dieser war eine perfekte Projektion; er saß zwischen den anderen auf seinem Stuhl und hatte die Arme entspannt auf den Lehnen liegen; von dem verschwommenen Äußeren oder den durchscheinenden Stellen, die mobilen Projektionen eigen waren, war bei ihm nichts zu sehen. Sein Gesicht war länglich, mit hohen Wangenknochen und einem beweglichen Mund, der selbst in den ernstesten Augenblicken den Anschein eines sardonischen Lächelns andeutete. Dies war ein ernster Augenblick.
    »Nein, Präsidentin«, sagte Ratgeber Albedo. »Die Beratergruppe wurde nicht gebeten, die Stärke der Ousters zu ermitteln.«
    Gladstone nickte. »Ich bin davon ausgegangen«, sagte sie immer noch an Morpurgo gewandt, »daß in den Geheimdienstschätzungen von FORCE, als diese hereinkamen, auch die Projektionen des Rats berücksichtigt sein würden.«
    Der FORCE:Bodentruppen-General sah Albedo finster an. »Nein, Ma'am«, sagte er. »Da der Core keine Verbindung zu den Ousters eingesteht, sind wir davon ausgegangen, daß seine Schätzungen nicht besser als unsere sein können. Wir haben das MAO:HTN-Aggregat-KI-Netz für unsere Einschätzung benützt.« Er steckte die verkürzte Zigarre wieder in den Mund. Sein Kinn hüpfte. Als er wieder sprach, sprach er um die Zigarre herum. »Hätte es der Rat besser machen können?« Gladstone sah Albedo an.
    Der Ratgeber machte eine knappe Geste mit den langen Fingern der rechten Hand. »Unsere Schätzungen ... für diesen Schwarm ... gingen von vier- bis sechstausend Kampfeinheiten aus.«
    »Sie ...«, begann Morpurgo mit rotem Gesicht.
    »Davon haben Sie während der Stabsbesprechung nichts gesagt«, meinte Präsidentin Gladstone. »Und während unserer früheren Einschätzungen auch nicht.«
    Ratgeber Albedo zuckte die Achseln. »Der General hat recht«, sagte er. »Wir haben keine Kontakte zu den Ousters. Unsere Schätzungen sind nicht zuverlässiger als die von FORCE, sondern basieren lediglich ... auf anderen Voraussetzungen. Das Historisch-Taktische Network der Militärakademie Olymp leistet ausgezeichnete Arbeit. Würden die dortigen KIs nur eine Einheit höher auf der Turing/Demmler-Skala liegen, müßten wir sie in den Core bringen.« Er machte wieder die anmutige Geste mit der Hand. »Es könnte sein, daß die Hochrechnungen des Rats für zukünftige Planungen von Nutzen sein könnten. Wir werden selbstverständlich jederzeit alle Berechnungen dieser Gruppe übergeben.«
    Gladstone nickte. »Tun Sie das unverzüglich.«
    Sie drehte sich wieder zum Bildschirm um, ebenso die anderen. Die Saalmonitore nahmen das Schweigen wahr und schalteten die Lautsprecher wieder zu, und wir konnten wieder die Siegesschreie, Hilferufe und gelassenen Aufzählungen aller Positionen, Feuerbefehlsangaben und Kommandos hören.
    Die nächstgelegene Wand zeigte eine Echtzeitprojektion des Schlachtschiffs HS N'Djamena, das in den kreisenden Trümmern von Kampfgruppe B.5 nach Überlebenden suchte. Das beschädigte Schlachtschiff, dem es sich näherte, sah in tausendfacher Vergrößerung wie ein von innen explodierter Granatapfel aus, dessen Kerne und rote Schale sich in Zeitlupe drehten und in eine Wolke aus Teilchen, Gasen, gefrorenen Dämpfen, einer Million aus ihren Verankerungen gerissenen Mikroelektronikbauteilen, Lebensmittelspeichern, verhakter Ausrüstung und –

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