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Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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war der denkwürdigste Aspekt des Äußeren von Meina Gladstone ihre Augen: groß, braun und unendlich traurig.
    Wir waren nicht allein. Ich war in einen langen, spärlich beleuchteten Raum mit Holzregalen geführt worden, auf denen viele hundert gedruckte Bücher standen. Ein langgestreckter Holorahmen, der ein Fenster simulierte, bot Ausblick auf den Garten. Eine Versammlung war gerade in Auflösung begriffen, ein Dutzend Männer und Frauen standen oder saßen in einem ungefähren Halbkreis, dessen Mittelpunkt Gladstones Schreibtisch bildete. Die Präsidentin lehnte sich beiläufig auf den Schreibtisch und ließ mit verschränkten Armen ihr Gewicht darauf ruhen. Sie sah auf, als ich eintrat.
    »M. Severn?«
    »Ja?«
    »Danke, daß Sie gekommen sind.« Ich kannte ihre Stimme aus tausend Debatten des All-Wesens – ihr Timbre war rauh vom Alter, ihr Klang weich wie ein teurer Liqueur. Ihr Akzent war berühmt – sie verschmolz präzise Syntax mit einem fast vergessenen Singsang des Prä-Hegira-Englischen, wie man es heute offenbar nur noch in den Flußdeltas ihrer Heimatwelt Patawpha fand. »Damen und Herren, ich möchte Ihnen M. Joseph Severn vorstellen«, sagte sie.
    Mehrere Mitglieder der Gruppe nickten, wußten aber offensichtlich überhaupt nicht, was ich hier zu suchen hatte. Mehr sagte Gladstone nicht, aber ich berührte die Datensphäre, um alle zu identifizieren: drei Kabinettsmitglieder, einschließlich des Verteidigungsministers; zwei Stabschefs von FORCE; zwei Attachés von Gladstone; vier Senatoren, darunter der einflußreiche Senator Kolchev; und die Projektion eines TechnoCore-Ratgebers namens Albedo.
    »M. Severn wurde hierher eingeladen, um die Perspektive eines Künstlers ins Geschehen einzubringen«, sagte Präsidentin Gladstone.
    FORCE:Bodentruppen-General Morpurgo lachte schnaubend. »Die Perspektive eines Künstlers! Bei allem gebührenden Respekt, Präsidentin, was genau soll das bedeuten?«
    Gladstone lächelte. Statt dem General zu antworten, wandte sie sich wieder an mich. »Was halten Sie von der Parade der Armada, M. Severn?«
    »Hübsch«, sagte ich.
    General Morpurgo gab wieder ein Geräusch von sich. »Hübsch? Er sieht die größte Konzentration von Feuerkraft der Raumstreitkräfte in der Geschichte der Galaxis und nennt es hübsch?« Er drehte sich zu einem anderen Militär um und schüttelte den Kopf.
    Gladstones Lächeln wurde nicht wankend. »Und was ist mit dem Krieg?« fragte sie mich. »Haben Sie eine Meinung zu unserem Versuch, Hyperion vor den Ouster-Barbaren zu retten?«
    »Dumm«, sagte ich.
    Es wurde totenstill im Raum. Gegenwärtige Echtzeitdemoskopie verriet, daß 98 Prozent Präsidentin Gladstones Entscheidung billigten, zu kämpfen statt die Kolonialwelt Hyperion den Ousters zu überlassen. Gladstones politische Zukunft hing von einem positiven Ausgang dieses Konflikts ab. Die Männer und Frauen in diesem Raum waren die Verantwortlichen für die Formulierung der Politik, für den Entschluß zur Invasion und die Ausführung der Logistik. Das Schweigen zog sich in die Länge.
    »Warum ist er dumm?« fragte Gladstone leise.
    Ich machte eine Geste mit der rechten Hand. »Die Hegemonie hat seit ihrer Gründung vor siebenhundert Jahren keinen Krieg geführt«, sagte ich. »Es ist Dummheit, ihre grundsätzliche Stabilität auf diese Weise auf die Probe zu stellen.«
    »Kein Krieg!« brüllte General Morpurgo. Er umklammerte mit gewaltigen Pranken seine Knie. »Und wie würden Sie die Rebellion von Glennon-Height nennen?«
    »Eine Rebellion«, sagte ich. »Einen Aufstand. Einen Polizeieinsatz.«
    Senator Kolchev bleckte die Zähne – ein Lächeln, das keinerlei Heiterkeit ausdrückte. Er stammte von Lusus und schien mehr Muskeln als Mensch zu sein. »Flotteneinsatz«, sagte er, »eine halbe Million Tote, zwei FORCE-Divisionen mehr als ein Jahr lang im Gefecht. Schöner Polizeieinsatz, Junge.«
    Ich sagte nichts.
    Leigh Hunt, ein älterer, verbrauchter Mann, der angeblich Gladstones engster Vertrauter war, räusperte sich. »Aber was M. Severn sagt, ist interessant. Wo sehen Sie den Unterschied zwischen diesem ... äh ... Konflikt und den Glennon-Height-Kriegen, Sir?«
    »Glennon-Height war ein ehemaliger FORCE-Offizier«, sagte ich und wußte, ich sprach das Offensichtliche aus. »Die Ousters sind seit Jahrhunderten eine unbekannte Macht. Die Rebellenstreitkräfte waren bekannt, ihr Potential leicht einzuschätzen; die Schwärme der Ousters sind seit der Hegira außerhalb des

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