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Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

Titel: Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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wurde – von sich aus tätig werden und ein Verfahren eröffnen (Offizialmaxime). In diesem Zusammenhang sollte er sich über die materielle Wahrheit ins Bild setzen, d.h. er mußte versuchen, für die Schuld eines Angeklagten tatsächliche Beweise zu finden.
    Ein Zwischenstück in der Entwicklung vom Akkusationszum Inquisitionsprozeß bildete das kanonische Infamationsverfahren. Hier galt bereits die Offizialmaxime: Ein Bischof konnte gegen verdächtige kirchliche Amtsträger aufgrund ihres schlechten Leumunds aus eigenem Ermessen tätig werden. Allerdings blieb es dem Angeklagten dann gestattet, sich mit Eiden von der Anklage zu reinigen – für einen einflußreichen Prälaten wohl keine allzu schwere Aufgabe. Die Neuerung von Innozenz III. bestand nun darin, daß er seine Legaten spätestens seit 1206 (Dekretale
Qualiter et quando
) nach der materiellen Wahrheit des Vorwurfes forschen und auf der Grundlage dieser Erkenntnisse entscheiden ließ. Einige Jahre später, mit dem achten Kanon des Vierten Laterankonzils 1215, wurde das Verfahren
per inquisitionem
als verbindlich etabliert. Zunächst ging es dabei alleine um das innerkirchliche Verfahren gegen Kleriker. Auf die persönliche Integrität der Zeugen wurde großer Wert gelegt, eine Vorsichtsmaßnahme, die später im Ketzerprozeß bewußt beiseitegelassen wurde. Es dauerte jedoch noch einige Zeit, bis der Inquisitionsprozeß als Instrument zur Verfolgung von Häretikern adaptiert wurde. Die Begriffe
inquirere
bzw.
inquisitio
begegnen in diesem Kontext zum ersten Mal im Jahr 1229. Im November dieses Jahres faßte ein Konzil in Toulouse weitreichende Beschlüsse darüber, wie die Sicherung des Friedens und die Ketzerbekämpfung in Südfrankreich nach dem Ende des Albigenserkreuzzuges vonstatten gehen sollten (vgl. Kap. III.2). In jedem Ort, so hieß es dort, sollten Suchtrupps, bestehend aus einem Priester und drei Laien, sorgfältig nach Ketzern forschen und diese den kirchlichen Behörden anzeigen. Damit wurde das alte Instrument der Synodalzeugen modifiziert und modernisiert; eine Art dauerhaft bestehende Spezialpolizei sollte einzig für die Verfolgung von Ketzern zuständig sein. Ein wichtiger Schritt hin zur Professionalisierung der Ketzerverfolgung war damit getan, auch wenn diese Aufspürtrupps noch keine Gerichtsvollmachten besaßen und sich strikt im Rahmen der bischöflichen Gerichtsbarkeit bewegten. Aber die Beauftragung einer bestimmten Gruppe von Inquisitoren lag gleichsam in der Luft.
    Diesen Schritt sollte Papst Gregor IX. (1227–1241) vollziehen, der bereits als Legat des Innozenz-Nachfolgers Honorius III. aktiv in der Ketzerbekämpfung tätig war und von Beginn an die dominikanischen Predigerbrüder systematisch förderte. Im Januar 1231 übernahm er das Antiketzergesetz Friedrichs II. von 1224 in sein Register und verschaffte damit der Strafe des Feuertodes auch im kirchlichen Bereich Eingang. Wenn wenig später in der Dekretale
Excommunicamus
von der «geschuldeten Strafe» (
animadversio debita)
die Rede ist, der die Verurteilten zuzuführen seien, dann ist damit zweifellos der Feuertod gemeint. Im gleichen Jahr beauftragte der Papst eine ganze Reihe von Legaten mit der Ketzerbekämpfung. Während der Auftrag für Konrad von Marburg im Oktober noch etwas vage formuliert ist (vgl. Kap. III.3), gilt der Brief Gregors IX. an zwei Regensburger Predigerbrüder mit dem Initium
Ille humani generis
vom 22. November 1231 als Schlüsseldokument für die Etablierung der Inquisition. Er bildet den Auftakt zu einer ganzen Reihe nahezu gleichlautender Ketzerbekämpfungsaufträgendes römischen Bischofs. Darin erteilt der Papst den jeweils angesprochenen Dominikanern den Auftrag zur gewissenhaften Suche nach Ketzern, zu ihrem Verhör und zum Vorgehen gegen sie gemäß päpstlichem Statut. Man kann dieses Schreiben wohl kaum als «Geburtsschein» der Inquisition bezeichnen, immerhin aber als wichtige Etappe eines sich länger hinziehenden Geburtsvorganges. Noch hatte sich für die Tätigkeit, die hier beschrieben wurde, kein offizieller Titel eingebürgert. Wenige Jahre später sollte Papst Gregor IX. aber bereits vom Geschäft der Inquisition (
negotium inquisitionis
) bzw. vom Amt der Inquisition (
officium inquisitionis)
sprechen. Seit den 1240er Jahren bürgerte sich die Bezeichnung
inquisitores heretice pravitatis
ein, «Verfolger der ketzerischen Verderbtheit».
    Der sich in dieser begrifflichen Fixierung widerspiegelnde

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