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Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit

Titel: Die Inquisition - Ketzerverfolgung in Mittelalter und Neuzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Ketzerverfolgung geschaffen zu haben. Vielfach waren lokale Adlige als verurteilte Ketzer bzw. Ketzerfreunde enteignet worden, ihr Besitz fiel an die Krone oder an auswärtige Barone. Neue königliche Beamte ordneten die Verwaltung nach nordfranzösischem Muster, alle Städte erhielten Garnisonen. Das Ketzerproblem selbst hatte der Kreuzzug jedoch keineswegs gelöst.
    Mit den Bestimmungen des Konzils von Toulouse begann im November 1229 eine Phase systematischerer Repression gegen die Häretiker (vgl. Kap. III.1). Der Graf von Toulouse, seine Vasallen und die Konsuln der Tolosaner Kommune waren beim Konzil anwesend und wurden zur Ketzerverfolgung verpflichtet. Die Kirche konnte nun über den bisher widerspenstigen weltlichen Arm verfügen. Konfisziert werden sollten folgerichtig nicht nur die Güter der Verurteilten, sondern auch die der säumigen weltlichen Herrscher und der Beherberger. Der Wille zur flächendeckenden Kontrolle manifestierte sich in der Bestimmung, daß alle Männer über 14 und alle Frauen über12 Jahre der Häresie abschwören sollten. Um die Eidesleistung zu kontrollieren, sollten die Namen aller Pfarrkinder aufgeschrieben werden. Wer sich entzog, galt als verdächtig. Neben zahlreichen weiteren Einzelbestimmungen wurde überdies ein wegweisender Strafkatalog für Ketzer beschlossen.
    Nur schleppend kamen im Gefolge des Konzils Verfolgungen in Gang. Päpstliche Legaten stießen auf Widerstand, der weltliche Arm verweigerte immer noch häufig die Zusammenarbeit, und das gesamte Verfahren besaß durch die Beteiligung verschiedener Bischöfe eine gewisse Schwerfälligkeit. Im April 1233 aber wurden in Frankreich auf Grundlage der Bulle
Ille humanis generis
, gleichsam nach dem «Regensburger Modell», die Dominikaner mit der Ketzerbekämpfung beauftragt, die im übrigen seit dem Vorjahr auch den Bischofssitz von Toulouse mit einem Ordensbruder besetzt hatten. Ebenfalls im April 1233 sah sich auch Graf Raimund VII. genötigt, antihäretische Statuten zu erlassen. Im Januar 1234 wurden einige Dominikaner als päpstliche Inquisitoren für die südfranzösischen Diözesen eingesetzt, gleichsam die erste Generation, darunter Petrus Seila, Guillelmus Arnaldi und Arnaldus Catala.
    Ihre ersten Aktivitäten sind nur durch spärliche chronikalische Zeugnisse überliefert. Es kam zu einer Handvoll Todesurteile, meist aber zur Verurteilung, Exhumierung und Verbrennung bereits Toter – ein Beweis für die Schwäche der Inquisition, denn Zeugnisse gegen bereits Verstorbene waren schneller zu erlangen als solche gegen Lebende. Die Zeugen und Beklagten konnten sich relativ leicht entlasten, indem sie den Verstorbenen die Hauptverantwortung zuschoben. Auf der anderen Seite wirkte die Störung der Leichenruhe und die rituelle Bestrafung der Leichen abstoßend und verstörend auf eine Gesellschaft, deren Mitglieder mit den Toten in einer innigen Erinnerungs- und Gebetsgemeinschaft lebten. Das Vorgehen der Inquisitoren entsprach den seit ca. 1220 entwickelten Schritten: Die Mönche bereisten die Diözesen, predigten, warnten vor Ketzern und drohten Strafen an. Sie riefen dazu auf, zu einem festgesetzten Zeitpunkt vor den Inquisitoren zu erscheinen und das eigene Wissen über Häretiker preiszugeben. Die entsprechenden Aussagenwurden entgegengenommen und schriftlich fixiert. Dabei kam es jedoch häufig zu Regelverstößen: Der Leumund von Zeugen wurde kaum beachtet, so daß auch zwielichtige Personen belastende Aussagen machen konnten; den Beschuldigten wurden die Namen der Zeugen nicht mitgeteilt, was ihre Verteidigung deutlich erschwerte. Die vom Papst vorgeschriebene Konsultation anderer Geistlicher wurde von den mit einem gewissen Elitebewußtsein ausgestatteten Bettelmönchen häufig ignoriert. Strafen wurden zumeist vom weltlichen Arm bereitwillig und schnell vollstreckt, obwohl sich die Zahl der Todesstrafen auf kaum ein Dutzend beschränkt haben dürfte.
    Schnell stießen die Inquisitoren auf eine Mauer des Schweigens. Mehr noch, es gab offenen Widerstand sowohl der einfachen Bevölkerung als auch des Adels. Wiederum stellte sich Graf Raimund VII. selbst gegen die Ketzerverfolger. In Albi wurde Arnaldus Catala bei dem Versuch der Exhumierung einer Ketzerin verprügelt, seine Kleider zerrissen; nur knapp entging er einem Lynchmord. In Toulouse wurde 1235 mit dem Inquisitor gleich der ganze Dominikanerkonvent aus der Stadt vertrieben. Zu den regionalen Widerständen kam eine ungünstige politische

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