Die Insel der Roboter
ungewöhnliche Umstände voraussetzen, und zwar deshalb, weil gerade in einfachen, alltäglichen Prozessen beide Prinzipien kombiniert auftreten.
Nehmen wir also an, Sie haben den Auftrag, in einem Ihnen unbekannten Ort von zweihundert Häusern den Bürgermeister aufzusuchen. Deterministisch würde dieser Vorgang etwa so ablaufen: Sie erhalten die Anweisung, vom Ortseingang aus die zweite Straße links, dann die erste rechts zu nehmen und dort in das fünfte Haus auf der linken Seite zu gehen. Das ist das Programm, und Sie müssen es abarbeiten, und wenn es richtig ist und Sie ihm folgen, werden Sie ohne Zweifel am Ziel landen. Aber Sie verarbeiten nur die im Programm genannten Merkmale, sonst sehen Sie nichts vom Ort.
Nun die stochastische Methode: Sie gehen in irgendein Haus und stellen fest, ob der Bürgermeister dort wohnt; Sie erhalten aber nur Auskunft über dieses Haus, nicht über andere. Die Wahrscheinlichkeit, daß Sie das richtige treffen, beträgt in diesem Fall genau ein Zweihundertstel. Ist es das falsche, gehen Sie in irgendein anderes. Jetzt beträgt die Wahrscheinlichkeit ein Einhundertneunundneunzigstel – und so weiter. Im ungünstigsten Falle müssen Sie zweihundertmal fragen.
Es scheint zunächst, als ob die deterministische Methode effektiver ist. Aber führen wir unser Beispiel weiter. Nehmen wir an, eine der Straßen, durch die Sie hindurchmüssen, ist aus irgendeinem Grunde unpassierbar – dann kommen Sie mit Ihrem Programm nicht ans Ziel, Sie brauchen ein neues. Nehmen wir weiter an, am nächsten Tag sollen Sie ein anderes Haus aufsuchen – mit der deterministischen Methode brauchen Sie wieder ein neues Programm. Bei der stochastischen Methode gehört dieses Haus vielleicht schon zu denjenigen, die Sie am Vortag abgefragt haben und deren Lage und Bewohner in Ihrem Speicher bereits festgehalten sind. Vielleicht gehört es auch nicht dazu, aber nach zehn Fahrten mit der stochastischen Methode kennen Sie bereits den ganzen Ort, mit der deterministischen dagegen nur zehn Häuser. Erläuterung beendet.«
Ich sah den General an, der blickte zu dem Zivilisten hinüber, und dieser nickte.
Ich wandte mich wieder dem General zu.
»Unsere Geräte arbeiten im Prinzip deterministisch, jede Spielsituation wird neu berechnet, und wenn sie tausendmal auftritt. Das Gehirn des erfahrenen Offiziers arbeitet stochastisch und mit hoher Lernfähigkeit, es vergleicht ganze Komplexe von Gegebenheiten mit dem gespeicherten Erfahrungsmaterial und setzt die optimale Strategie nicht aus einzelnen Zügen, sondern aus ganzen Teilstrategien zusammen. Dadurch macht es seine viel geringere Arbeitsgeschwindigkeit wett – wenigstens im Falle unseres Stabschefs. Um wesentlich schneller zu sein, müßte das Gerät bis zu einem gewissen Grade ebenso arbeiten können, und mit einigen Zusatzspeichern wäre es dazu auch in der Lage.«
»Darauf wollen Sie also hinaus!« sagte der General.
»Ja. Die Dienstvorschrift verbietet das, und zum gegenwärtigen Zeitpunkt sicherlich mit Recht. Man müßte dazu auch in den plombierten Teil des Geräts eingreifen, und das ist ebenfalls verboten. Aber man muß weiterdenken. Meiner Meinung nach müßte in dieser Richtung experimentiert werden, und zwar mindestens an zehn bis fünfzehn Geräten, die in Einheiten gleicher Struktur arbeiten. Es kommt nämlich auch folgendes hinzu: Die Taktik des Gefechts entwickelt sich ständig weiter. Wir haben vor einigen Jahren mit zwanzig Rahmenprogrammen angefangen, heute sind es bereits fünfzig, und bald wird es für den GLE-Offizier einfacher sein, ein Programm völlig neu auszuarbeiten, als das dazu passende Rahmenprogramm herauszusuchen. Ganz besonders schnell würde sich die Taktik aber in einem Kriege wandeln. Kriegsbezogenes Denken heißt also auf unserm Gebiet, die Umrüstung der GLE-Geräte auf stochastische Arbeit und Lernfähigkeit in Angriff zu nehmen.« Ich holte tief Luft und sagte: »Ausführungen beendet.«
Der General nickte mir wieder zu, jetzt aufmunternd lächelnd, und sagte: »Genossen Offiziere, bitte gehen Sie einen Augenblick hinaus!«
Die Gespräche im Vorzimmer rauschten an mir vorbei, ich erinnere mich nur noch, daß Klaus ein ganzes Bündel von Vermutungen entwickelte, worum es sich handeln könne, während Konni gutmütig sagte: »Du hast zwar recht, aber Quatsch ist es doch!«
Ich bin ein schlechter Redner – ich rede selten und dann nur über Dinge, die mich brennend interessieren, und dabei errege ich mich dann
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