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Die Insel der roten Erde Roman

Titel: Die Insel der roten Erde Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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gewesen. Die Kleinen hatten geweint und geschrien, als Lucy gegangen war, doch die Nonnen waren unerbittlich gewesen. Auch für Lucy gab es keine Ausnahme; sie hatte das Waisenhaus verlassen müssen. Noch immer litt sie unter schrecklichen Schuldgefühlen, weil sie die Kinder im Stich gelassen hatte.
    Sarah registrierte mit Erleichterung, dass Lucy ihr den Schwindel geglaubt hatte und sie für eine Gouvernante hielt. Das Mädchen hatte also keinen Verdacht geschöpft. Gut so, denn die Wahrheit war wenig schmeichelhaft: Sarah war eine Strafgefangene, die unter Auflagen aus der Haft entlassen worden war. Im Alter von vierzehn Jahren war sie wegen Diebstahls zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Fünf harte Jahre hatte sie im Cascade Factory abgesessen, dem Frauengefängnis in South Hobart, wo sie in der Wäscherei geschuftet hatte. Da es den australischen Farmen jedoch an Arbeitskräften fehlte, durften Häftlinge bei guter Führung ihre Reststrafe verbüßen, indem sie auf Bewährung freikamen und in der Landwirtschaft arbeiteten.
    Sarah war in Hobart Town von einem Aufseher an Bord der Montebello gebracht und nach Melbourne begleitet worden, von wo sie die Fahrt mit der Gazelle fortgesetzt hatte. Sobald sie auf Kangaroo Island eingetroffen waren, musste Sarah sich bei der Polizei in der Kleinstadt Kingscote melden; dann würden die Beamten sie zu Evan Finnlays Farm im westlichen Teil der Insel bringen. Es hatte Sarah anfangs einen Schrecken eingejagt, dass der Farmer sie nicht persönlich abholte. Doch da sich seine Farm am anderen Ende der Insel befand und allem Anschein nach in einer besonders rauen, unwirtlichen Gegend lag, wollte er seine Kinder und sein Vieh nicht allein lassen.
    An Bord der Gazelle befanden sich einundachtzig Passagiere und achtundzwanzig Mann Besatzung. Die Ladung bestand aus Kupfer, Mehl und Kolonialwaren. Außerdem waren sieben Pferde an Bord, davon vier Rennpferde, deren Bestimmungsort Adelaide war und deren Besitzer, die Herren Hedgerow, Albertson und Brown, mit den Siegen prahlten, die eines der Tiere beim Flemington-Pferderennen in Melbourne errungen hatte.
    Eine Stunde später war der Himmel bedrohlich düster geworden, und der Wind hatte sich zu einem Sturm ausgewachsen. Die Masten und die Takelage ächzten und knarrten, und die Matrosen fürchteten, die Segel könnten losgerissen und zerfetzt werden. Das Schiff war zum Spielball der Wellen geworden, und es gab nichts, was die Mannschaft dagegen tun konnte. Als sie sich fünf Meilen südlich des Leuchtturms von Cape Willoughby auf Kangaroo Island befanden, wurde eines der Pferde in seiner Box zu Boden geschleudert, so aufgewühlt war die See. Der Kapitän befahl daraufhin, Kurs Südwest zu nehmen, aufs offene Meer hinaus, wo die Dünung flacher war.
    Doch bald türmten die Wellen sich meterhoch, und erneut wurde die Gazelle von gefährlichen Sturmböen erfasst. Der Kapitän beschloss, die Insel zu umfahren, um nach Kingscote zu gelangen; dort wollte er im sicheren Hafen abwarten, bis das Wetter sich beruhigte, ehe er die Fahrt nach Adelaide fortsetzte.
    »Wann sind wir denn endlich auf dieser elenden Insel?«, klagte Amelia zum hundertsten Mal. Sie war seekrank geworden, als sie sich vor dem Regen unter Deck in den Salon flüchten musste. Von der Insel war in der einsetzenden Dunkelheit und dem strömenden Regen nichts mehr zu sehen. Die Stunden vergingen. Der Sturm tobte mit unverminderter Heftigkeit. Während Sarah und Lucy Gebete sprachen, jammerte und schimpfte Amelia.
    Plötzlich erblickte Kapitän Brenner das Leuchtfeuer eines anderen Leuchtturms. Offenbar waren sie vom Kurs abgekommen und der Küste sehr viel näher, als er vermutet hatte. Entsetzt beugte er sich über seine Karten. Gab es hier Riffe, die ihnen gefährlich werden konnten?
    Sein Erster Maat kam zu ihm geeilt. »Wenn dort das Leuchtfeuer von Cape du Couedic ist, Sir, müssen wir sofort abdrehen!«, rief er voller Panik. Er kannte die Gegend von früheren Fahrten und wusste, dass die Riffe schon manchem Schiff zum Verhängnis geworden waren.
    Der Kapitän riss das Ruder herum, doch es war zu spät. Im gleichen Augenblick, als vom Bug der Warnruf eines Seemanns ertönte, ließ ein heftiger Schlag den Rumpf erzittern. Passagiere und Besatzungsmitglieder wurden zu Boden geschleudert.
    »Gott sei uns gnädig!«, stieß der Kapitän hervor. Das Schiff war auf ein Riff aufgelaufen. Das grässliche Knirschen, als der Holzrumpf über die halb unter der

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