Die Insel der roten Mangroven
aufgefallen.
Victor entzündete jetzt alle Lampen im Behandlungsraum. »Wir schaffen hier erst mal mehr Licht, Caesar, damit ich die Wunde säubern kann. Diesmal gründlich und richtig. Ich werde ihr auch Medizin gegen das Fieber geben. Dann müssen wir sie vor allem warm halten, gut füttern, wenn sie denn etwas isst … und beten, dass die Wunde heilt, bevor sie am Fieber dahinsiecht. Habt ihr eine Unterkunft im Hafenviertel?« Victor sah Jefe prüfend an. »Ich habe weder dich noch Bonnie je hier gesehen.«
»Oder ›Bobbie‹«, bemerkte Deirdre. »Den hättest du eher treffen können. Das Mädchen hat sich doch als Junge ausgegeben, oder?«
Jefe senkte kurz den Kopf, als ob er sich ertappt fühlte. Das ließ ihn jungenhafter wirken. Trotz seiner imponierenden Erscheinung mochte er nicht viel älter sein als seine Freundin.
»Wir … sind nicht von hier«, bemerkte er. »Aber wir könnten vielleicht … Hören Sie, ich werde etwas finden. Wenn ich sie kurz hierlassen darf, gehe ich zum Hafen und miete etwas an. Wir … haben Geld.« Er ließ seine Börse kurz aufblitzen. »Wir können auch Sie bezahlen, Doktor. Was … was immer Sie fordern …«
Er legte in einer kurzen, deutlichen Geste den Finger an den Mund. Deirdre verstand. Er würde auch für Schweigen bezahlen.
Victor konnte das ebenfalls nicht missverstanden haben, er schüttelte jedoch mit abweisendem Ausdruck den Kopf. »Junger Mann, mein Beruf verpflichtet mich dazu, über die Angelegenheiten meiner Patienten Stillschweigen zu bewahren.Und wo willst du jetzt ein Zimmer anmieten, mitten in der Nacht?«
Über das Gesicht des Schwarzen zog eine Art Grinsen. »Das sollte kein Problem sein.« Es klang, als mietete er Zimmer stets nur bei Mondschein.
Victor schnaubte. »Das sehe ich aber anders, junger Mann«, sagte er streng. »Natürlich bekommst du irgendeine Absteige am Hafen, wenn du mit Geld winkst – oder ein Messer in die Rippen …«
Der Schwarze lächelte wieder. Überlegen, wie Deirdre fand. Es gab zweifellos nichts, was er im Hafenviertel zu befürchten hatte.
Victor sprach unbeirrt weiter. »Aber dieses Mädchen braucht ein sauberes Bett, Pflege … Nein, nein, wir machen das anders. Ich werde Bonnie jetzt erst mal versorgen und dann …«
»Wir können sie ja hierbehalten!«, platzte Deirdre heraus – und wunderte sich selbst über ihren spontanen Vorschlag. Sie hatte sich bislang nie für Krankenpflege interessiert. Und Amali und die anderen Sklaven brauchten auch ganz sicher keine weitere Arbeit. »Ich … ich würde mich gern um sie kümmern.«
Victor warf ihr einen verwunderten Blick zu, der dann jedoch zärtlich wurde. Ganz offensichtlich freute ihn ihr Angebot. »Du hörst, was meine Frau sagt«, beschied er Jefe. »Und für dich finden wir auch noch einen Schlafplatz. Du kannst es dir im Stall gemütlich machen … sofern … sofern du uns erzählst, wo du herkommst und was ihr in der letzten Zeit gemacht habt. Einen Gauner will ich nicht in meinem Haus.«
Der junge Mann schien auffahren zu wollen, doch Deirdre griff ein, bevor er sich entscheiden konnte, ob er dem Impuls nachgeben oder sich beherrschen sollte.
»Ich bitte dich, Victor, das hat doch Zeit bis morgen!«, begütigte sie. »Wir kümmern uns jetzt erst mal um das Mädchen, und dann …«
»Wir?«, fragte Victor, leicht amüsiert. »Du … willst helfen?«
Deirdre nickte entschlossen. »Du wirst doch wohl jemanden brauchen, der …«
Sie wusste nicht recht weiter, aber irgendetwas gab es ganz sicher. Irgendetwas, das sie hierhalten konnte – im Beisein dieses faszinierenden Fremden und seiner kranken kleinen Freundin. Oder Frau? Deirdre empfand einen Stich, es war fast so etwas wie Eifersucht. Sie war verrückt, sie musste verrückt sein …
Etwas später fand sie sich dabei wieder, eine Emailleschale zu halten, in die Victor heißes Wasser und Seifenlauge gefüllt hatte. Er tupfte Bonnies Wunde damit immer wieder aus, wenn er einen neuen Holzsplitter entfernt hatte. Deirdre war zu Beginn übel geworden. Es sah aus, als müsste es entsetzlich wehtun. Zum Glück für das Mädchen war es jedoch nicht bei Bewusstsein, und so beruhigte sich schließlich auch Deirdre und hielt den Anblick aus. Victor lächelte ihr über seine Arbeit hinweg zu. Er schien stolz auf sie zu sein.
Der junge Mann beobachtete die Prozedur kühl, vielleicht besorgt um seine Freundin, aber unbeeindruckt. Wo auch immer er herkam, Blut sehen konnte er.
Es dauerte
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