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Die Insel der roten Mangroven

Die Insel der roten Mangroven

Titel: Die Insel der roten Mangroven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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mag sein, aber es rechtfertigt dennoch nicht, harmlose Handelsschiffe zu entern, die Besatzungen entweder zu töten oder zu versklaven und sich die Waren anzueignen. Freibeuterei mag romantisch aussehen, Deirdre, doch im Grunde ist es nichts anderes als Raub und Mord. Also bilde dir nichts ein über diesen jungen Mann. Er ist ein Stutzer und ein Gauner, nicht mehr …«
    Deirdre schürzte die Lippen. »Und das Mädchen?«, fragte sie.
    »Über das Mädchen werden wir mehr erfahren, wenn es aufwacht«, meinte Victor. »Sofern es aufwacht … Du kannst jetzt wieder ins Bett gehen, Deirdre, und noch ein bisschen schlafen. Ich werde hierbleiben. Von dem Sud sollte die Kleine jede Stunde etwas bekommen, da lohnt es sich nicht, sich zwischendurch hinzulegen. Und es ist ja auch bald Morgen …« Er seufzte, während er sich einen Sessel an Bonnies Bett zog und es sich darauf bequem machte.
    Deirdre zwang sich, ihren Mann zu küssen, bevor sie das Zimmer verließ – und biss sich auf die Lippen, als sie gewahr wurde, dass sie dabei an den großen Schwarzen dachte, der im Stall schlief, nicht weit von ihr … Deirdre verbot sich diese Gedanken energisch, als sie sich endlich wieder in ihr Bett kuschelte. Was ging dieser Mann sie an? Wie konnte sie derart entrückt an einen Schwarzen, wahrscheinlich einen entflohenen Sklaven, denken? Aber wahrscheinlich war sie nur müde. Am kommenden Morgen würde dieser Caesar wieder einfach ein großer schwarzer Mann für sie sein. Wie Lennie oder Jolie.
    Wie alle anderen auch.
    Jefe, der sich ein paar Yards vom Haus entfernt unwillig in eine stinkende Pferdedecke wickelte, fühlte sich kaum weniger aufgewühlt. Wie konnte er auch so schnell über die Begegnungen dieser Nacht hinwegkommen? Dieser impertinente Doktor – der nichtsdestotrotz sein Handwerk verstand – und diese wunderschöne Frau an seiner Seite! Irgendetwas an dieser … dieser Weißen … hatte ihn so berührt, wie nie zuvor der Anblick irgendeines anderen weiblichen Wesens es getan hatte. Ihr Gesicht, die seltsam grünen Augen, ihr Haar, das weder glatt war noch kraus, sondern in tausend winzigen Ringellocken über ihre Schultern fiel. Überhaupt ihre Schultern, so rund, aber auch so schmal … die Art, wie sie ihren Morgenmantel enger um sich gezogen hatte – erstaunlicherweise immer dann, wenn er sie sich darunter nackt vorgestellt hatte. Und wie sie damit gerade die weichen Rundungen ihrer Brüste und ihrer Hüften verriet – der seidene Mantel ließ seine Form ja nur erahnen. Wie hatte der Mann sie genannt? Deirdre? Ein ungewöhnlicher Name. Ein afrikanischer Name? Unsinn, wieso kam ihm jetzt nur diese Idee? Deirdre war … irisch, ja, irisch. Er hatte da mal ein Märchen gelesen. Ein Mädchen aus einem Märchen hatte so geheißen … Es war gut, dass er Bonnie hergebracht hatte …
    Jefe schämte sich ein bisschen, weil dies der einzige Gedanke war, den er in den letzten Stunden an Bonnie verschwendet hatte. Aber das Mädchen war ja jetzt in guten Händen. Und er musste schlafen … vielleicht würde er morgen wieder klar denken können und diese Deirdre als das sehen, was sie war: eine Weiße, und schon als solche gänzlich uninteressant. Weiße Frauen hatten Jefe nie erregt, unter anderem deshalb, weil ständig die Gefahr bestand, dass sie seinen Stolz verletzten. Schließlich behandelten sie ihn selten anders als ein Stück Dreck oder bestenfalls ein Haustier. Obwohl Deirdre da anders zu sein schien. Sie hatte freundlich zu ihm gesprochen, sie … Nein, Jefe verbot sich diese Gedanken. Er war verrückt – oder auch nur müde. Am kommenden Morgen, bei Licht betrachtet, würde Deirdre wieder eins dieser widerlichen weißen Weiber sein, die einem Nigger keinen zweiten Blick gönnten.
    Eine Missis. Wie alle anderen auch.
    Am nächsten Morgen traf Jefe erst mal auf Amali, die über den Anblick des hünenhaften Schwarzen in ihrem Pferdestall zu Tode erschrak. Wie jeden Morgen fand sie sich hier widerwillig zum Füttern der Tiere ein – eigentlich Lennies Aufgabe, die sie nun seit Monaten »vorübergehend« übernommen hatte. Victor sprach zwar immer wieder davon, einen Jungen für den Pferdestall zu kaufen oder von der Plantage seines Vaters mitzubringen, dann vergaß er es jedoch stets. Auf Nouveau Brissac gab es anscheinend anderes zu bedenken und zu bereden. Beim letzten Besuch war Victor auch wieder einmal zu einem Vergiftungsfall gerufen worden – zum Glück nur zu einem eingebildeten. Die

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