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Die Insel der verlorenen Kinder

Die Insel der verlorenen Kinder

Titel: Die Insel der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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so, als hätte sie es nicht gesehen. Sie kommt näher, geht unmittelbar an dem Kind vorbei und murmelt dabei: «Wo mag sie nur sein?»
    Plötzlich dreht sie sich um, schreit: «Hab dich!», und greift durch die Hecke nach ihrer kleinen Schwester. «Du bist dran!»
    Vögelchen lacht, reißt sich los, schlüpft auf der anderen Seite aus der Hecke und rennt direkt auf die Straße.
     
    «Du bist dran!» Die weiche weiße Pfote des Hasen landet auf ihrer Schulter und berührt noch einmal das rote Kleidchen. Vögelchen blickt auf, lacht und rennt zwischen den Grabsteinen hinter Peter Hase her, der in Zeitlupe hoppelt, bis das kleine Mädchen ihn endlich einholt, an einem Bein packt und aufs Gras herunterzieht.
    Pat hat den Trick inzwischen vollkommen raus und braucht gar keinen Anzug mehr. Sie ist zu Peter Hase geworden.
    Der Hase sitzt in einer Gefängniszelle und wartet. Die Leute kommen und gehen. Pats amtlicher Verteidiger. Und Jim. Sie stellen immer wieder dieselben Fragen. Sie wollen über Motive reden.
Über Vögelchen. Über den kleinen Schuh, den sie in einer Schachtel ganz unten im Schrank von Pats Büro gefunden haben. Er ist in weißes Seidenpapier eingeschlagen wie ein Geschenk, und Pat hat ihn jeden Tag ausgepackt. Eine blutdurchtränkte Erinnerung an das, was sie getan hat. Wo sie versagt hat.
    Sie sagen, der Psychiater wird bald kommen. Ein Gutachten erstellen.
    Peter Hase sagt gar nichts dazu. Er nickt einfach nur, die Augen auf etwas geheftet, was sonst keiner zu sehen scheint.
    Und wenn der Hase schläft, hat er schöne Träume.
    Peter ist auf der Haseninsel, und seine beiden Vögelchen sind da. Hoppelnd spielt er stundenlang Fangen und Verstecken mit ihnen. Und sie lachen. Mein Gott, wie diese kleinen Mädchen lachen.
    Wenn er sie fängt, nimmt er sie beide in seine kräftigen Pelzarme, als wollte er sie nie wieder loslassen.
    Sie sind in Sicherheit. Und dort werden sie für immer bleiben. Dort auf der Haseninsel.

s?
    5.   Juli 2006
    Daniel wurde neben seinem Vater auf dem St.-Anne-Friedhof bestattet. Und zwar in dem Sarg, den er sich selbst gezimmert hatte:
Besser ausbrennen als dahinschwinden   …
    Alle waren nach der Bestattung mit zu Clem gekommen und aßen Auflauf, tranken Cocktails und erzählten Geschichten von Daniel. Daniel und der Erdnusswagen. Daniel und seine verrückten Ideen. Daniel als der Osterhase.
    Lizzy ging weg und legte sich schlafen. Alle sahen ein, dass das eine schlimme Belastung für sie war – kaum in der Stadt angekommen, musste sie ihren lange verschollenen Vater bestatten. Peter saß auf dem Sofa, während Tack hinter ihm stand und ihm die Schultern massierte. Justine pickte an den Resten auf ihrem Teller herum: Bohnensalat und Käse-Hackfleisch-Auflauf. Suzy und Kimmy spielten das Kartenspiel
Go Fish
und tranken Ginger-Ale mit Maraschino-Kirschen.
    «Ich hole mir noch ein Bier», kündigte Clem an und stand auf. «Braucht sonst noch jemand etwas?» Alle schüttelten den Kopf.
    Rhonda stand auf, reckte sich und folgte ihrem Vater in die Küche.
    «Wie geht es dir jetzt?», fragte sie.
    Er bekam wieder den abwesenden Blick, der so typisch für ihn war. «Weißt du, als ich das mit Daniel und Aggie herausfand und begriff, dass Peter sein Sohn war, habe ichein paar Jahre nicht mit ihm gesprochen. Ich lernte deine Mutter kennen und versuchte, alles zu vergessen, was vorher passiert war. Dann aber, im Herbst nach deiner Geburt, als ich gerade auf der Veranda saß, tauchte er plötzlich auf wie ein Phantom.»
    Clem blickte sehnsüchtig aus dem Fenster und tat einen tiefen Schluck aus der Bierflasche.
    Draußen auf der Veranda kicherten die Mädchen.
    Clem fuhr fort: «Daniel schlenderte auf dem gepflasterten Weg heran, einen Sechserpack Bier in der Hand wie eine Opfergabe. Wir setzten uns hin, tranken das Bier und redeten über unsere kleinen Mädchen und Peter. Wir fielen einfach wieder in unseren alten Rhythmus zurück. Als hätte es nie einen Bruch in unserer Freundschaft gegeben.»
    Rhonda nickte und dachte, was für ein gutes Gefühl es war, wieder mit Peter zu reden. Wie wohl sie sich dabei fühlte. Es war so vertraut wie eine Heimkehr.
    «Nachdem Daniel verschwunden war, bin ich immer wieder auf die Veranda hinausgegangen. Im Laufe der Jahre habe ich manchmal stundenlang dort gesessen, geraucht und auf die Straße geschaut, ob er nicht doch wieder mit einem neuen Sechserpack Bier auftaucht. Jetzt weiß ich, dass er nicht mehr kommen wird. Endlich Bescheid zu wissen

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