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Die Insel der verlorenen Kinder

Die Insel der verlorenen Kinder

Titel: Die Insel der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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war, und spürte, wie ihre Finger von der Stuhllehne glitten.
    «Tut mir leid, Ronnie», sagte Clem, der noch immer das Radio in Händen hielt. Er stellte es so vorsichtig zurück, als wäre es eine Bombe.
    Rhonda ging nach draußen auf die Veranda, wo Suzy und Kimmy kichernd über ihren Karten saßen. «Wollt ihr beide einen Spaziergang mit mir machen?», fragte sie.
    Suzy nickte und sagte: «Ich weiß eine Stelle, wo ein Unterseeboot liegt.»
    Rhonda hatte einen Klumpen im Magen, als sie den beiden voraushüpfenden Mädchen durch den Garten und über den Pfad folgte, der zur alten Bühne führte.
    Rhonda war viele Jahre nicht mehr im Wald gewesen. Kurz nach der letzten Aufführung des Stücks hatten sie alle begonnen, den Pfad, der ihre Häuser miteinander verband, zu meiden, und waren lieber den längeren Weg über die Straße gelaufen. Jetzt begriff Rhonda, warum.
    Der Wald kam Rhonda irgendwie dichter und enger vor. Die Bäume waren gewachsen und machten die Lichtung selbst heute, an diesem sonnigen Tag, dunkler, als Rhonda es in Erinnerung hatte. Sie blickte auf und versuchte sich zu erinnern, von welcher Kiefer aus Tack damals ihren Pfeil abgeschossen hatte. Sie meinte, die richtige Kiefer zu erkennen, war sich aber nicht sicher. Alle Bäume sahen fast gleich aus.
    Die Mädchen stiegen in Clems alten Impala, und Rhonda folgte ihnen und quetschte sich neben ihnen auf die vordere Sitzbank.
    «Wohin fahren wir?», fragte Rhonda. Suzy saß in ihrem dunklen Beerdigungskleidchen am Steuerrad. Das Haar war von einem Band zusammengehalten.
    «Wir besuchen den Tintenfisch», erklärte Suzy nüchtern.
    Rhonda blickte nach rechts. Der Haufen von Brettern, die früher einmal ihre Bühne gebildet hatten, war schwarz vermodert und mit grünem Moos bewachsen. Die Polizei hatte einen Teil der Bretter beiseitegezerrt und die Fallgrube freigelegt. Rhonda wandte sich ab, weil sie einfach nicht in das Loch hinunterschauen konnte, in dem sie sichfrüher versteckt und auch ihre Kostüme gewechselt hatten. Rhonda erinnerte sich an Träume, in denen sie das Gefühl gehabt hatte, unendlich tief zu fallen. Sie dachte an ihre alte Zahnspange, die man in der Grube gefunden hatte, und die jetzt als Beweisstück neben den Fetzen von Daniels T-Shirt und Jeans in einem Beutel ruhte. Den Blick auf den Boden gerichtet, fragte sie sich, wo sie wohl damals den Lumpenmann vergraben hatten, und versuchte, sich zu erinnern, was genau sie auf ihren Zettel geschrieben hatte. Hatte sie damals tatsächlich Angst gehabt, dass Peter sie nicht liebte? Dass sie alt werden und alles vergessen würde? Hatte sie vielleicht auch etwas so Banales wie
Spinnen
geschrieben? Oder doch etwas viel Bedrohlicheres?
    Unter einigen Brettern am Rand erblickte Rhonda einen Tuchfetzen und erkannte einen Teil des gemalten Bühnenhintergrundes. Blaue Wellen und ein Stück Palme, jetzt fleckig von Moder. Ihr Nimmerland war, wie Rhonda in diesem Moment begriff, Ernies Haseninsel ganz ähnlich.
     
    Suzy ließ das U-Boot sanft auf dem Meeresboden landen. Sie, Kimmy und Rhonda stiegen aus und setzten sich auf das Kiefernnadelbett, das für sie weichen Sand darstellte. Sie tranken Tee und aßen kleine Kuchen. Rhonda blickte sich nach der kaputten Bühne um und betrachtete die Bäume, die die Lichtung einschlossen. Einen Moment lang kam es ihr so vor, als hätte sie aus dem Augenwinkel Tacks Pfeil flammend vorbeizischen sehen. Ein Vogel krächzte, und in diesem Krächzen meinte Rhonda Peter Pans Krähen zu vernehmen.
    Der Tintenfisch war ein guter Gastgeber und sagte vieles,worüber Suzy und Kimmy sich vor Lachen ausschütteten. «Dummer Tintenfisch», sagten sie. Dann aber wurde Suzy plötzlich ernst.
    «Der Tintenfisch sagt, dass du uns jetzt von Grandpa Daniel erzählen kannst», erklärte sie.
    Rhonda erstarrte. Der Phantasiekuchen blieb ihr im Halse stecken, und die unsichtbare Tasse mit Tee kippte ihr in den Schoß.
    «Was ist mit ihm?», fragte sie, die Stimme so ruhig wie nur möglich.
    «Erzähl uns eine Geschichte von ihm», bat das kleine Mädchen.
    «Ich bin mir sicher, dass dein Vater dir ganz viele Geschichten erzählen könnte», sagte Rhonda zu Suzy. «Und dir, Kimberly, könnte deine Mutter alles erzählen, was du wissen möchtest.»
    «Aber wir wollen
deine
Geschichte hören», quengelte Kimmy. «Du hast ihn auch gekannt.»
    Rhonda dachte darüber nach. Sie dachte daran, dass diese kleinen Mädchen gerade einer Beerdigung beigewohnt hatten. Der Beerdigung eines

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