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Die Insel des Magiers

Die Insel des Magiers

Titel: Die Insel des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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willst du da behaupten, daß meine Abgeschiedenheit und Einfachheit schlechter waren?
    Auf meiner Insel bewegte ich mich in einer Welt völlig fragloser Dinge. Der große Felsen über dem Strand hatte keinen Namen, doch ich kannte ihn, und ich wußte, was er war: etwas, worauf ich steigen konnte, um weit hinaus übers Meer zu schauen. Eine Familie von Eidechsen wohnte dort, klein, braun, gelbgestreift, und obwohl sie vor mir flohen, wenn ich mich näherte, und in die Ritzen schlüpften und dort ängstlich abwarteten, bis ich vorbeigegangen war, waren sie in meinen Augen nicht lebendiger als der große Stein oder auf einer höheren Stufe des Seins angesiedelt – sowenig wie ich selbst. Sie bewegten sich, ich bewegte mich; der Felsen nicht. Manchmal jedoch verging ein ganzer Nachmittag, an dem sowohl die Eidechsen als auch ich so regungslos waren wie die große Felsplatte – und genausogut konnte es für meine Begriffe sein, daß der Stein seinerseits zu bestimmten Zeiten ging oder kroch oder sogar flog, auch wenn ich noch nicht zum Augenzeugen eines solchen Vorgangs geworden war.
     
     



 
     
     
     
    In meiner Vorstellung war der große Felsen ein Ding, genau wie die Eidechsen Dinge waren, jede für sich, und ich dachte nicht daran, ihn mit irgend etwas anderem zu vergleichen. Er war einfach da. Ich war einfach da. Was mir auf meiner Insel begegnete, war Nahrung, wenn ich es essen konnte, Schatten, wenn ich darunter schlafen konnte. Das Wetter an sich war nichts Unabhängiges, das sich erörtern ließ wie ein Krieg in einem fernen Land. An manchen Tagen war die Welt naß und windig. An anderen Tagen ächzte alles unter der gnadenlosen Hitze.
    Und genau an einem solchen Tag war es, einem Tag, an dem die ganze Schöpfung ein Stein zu sein schien, der in der Glut eines Feuers aufgeheizt wurde, daß ich den großen Felsen erklomm und mein Verderben erblickte.
    Hätte ich mich vor dem Kommenden verstecken können, das mein Verhängnis werden sollte? Die Insel war nicht groß, doch es gab genug Höhen, genug verborgene, schattige Schluchten, die es mir vielleicht erlaubt hätten, mich fernzuhalten, wenigstens das erste Jahr. Wenn mir das gelungen wäre, hätte ich anders gedacht, mit anderen Augen gesehen. Ich wäre ein Jahr älter geworden, und zudem hätte die Distanz etwas Gewohntes gehabt: In der Rolle des Beobachters hätte ich mich als ein eigenständiges Wesen begriffen, in der Rolle des Lernenden hätte ich ein anderes Verständnis erworben.
    Doch wie die Eidechsen war ich zwar ängstlich, aber letztlich dumm. Genau wie sie immer wegliefen, doch nie weiter als in dieselben flachen Spalten, so sah ich mein Verderben über den weißen Strand auf mich zukommen und unternahm zu meiner Rettung nicht mehr, als mich ein bißchen tiefer hinter eine schroffe Felskante zu ducken. Bis zu dem Augenblick war ich, nach dem Tod meiner Mutter, der Herr meines Landes gewesen, doch jetzt stand mir der Sturz bevor. Wie gut dein verbannter Vater diese grausame Umkehrung verstanden haben muß – wie es ist, wenn man vom Schlag der Rebellenhand überrascht wird, wenn man den verhängnisvollen Irrtum zu spät erkennt. Doch sein Verständnis führte nicht dazu, daß er mich in späteren Tagen besser behandelte.
    Zwei Gestalten, eine groß, die andere klein. Ich kann nicht sagen, Miranda, daß ich mich auf den ersten Blick in dich verliebte, auch wenn es sicher sehr ergreifend klingen würde. Ich denke, ich war noch zu jung. Ich bin mir nicht sicher, aber ich schätze, daß ich bei eurer Landung vielleicht zehn Jahre alt war. Natürlich war mir die Möglichkeit, Genaueres über meine frühe Kindheit zu erfahren, und sei es nur das Jahr meiner Geburt, schon genommen, bevor ich überhaupt geboren war, denn da meine Mutter ihrer Zunge beraubt worden war, gab es für mich auch keine Muttersprache.
    Es ist wahr, daß du mich fasziniertest mit deinem müden kleinen Körper, deinen feuchten Haaren, deinem zerrissenen bunten Kleid, doch es war dein hochgewachsener, hagerer Vater, bei dessen Anblick sich mir die Haare sträubten wie beim Kribbeln des fernen Blitzes.
    Zuerst war er nur eine schwarze Säule, die am sonnengebleichten Strand vor einem aufgelaufenen Boot stand. In meiner traumartigen Verwirrung dachte ich, ihr beide wärt unserem Boot entstiegen, obwohl ich doch wußte, daß der Nachen, der meine Mutter in die Verbannung befördert hatte, an einem anderen Strand gelegen hatte und daß davon seit langem nur noch ein paar

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