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Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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oceanicis et orbe novo decades tres von Pietro d'Anghiera, und eines Tages hatte er dem Kapitän erzählt, er habe sie für einen Pappenstiel in Mailand erworben, wo nach der Pest an den Bücherständen längs der Navigli eine ganze Bibliothek zum Verkauf angeboten worden sei, die einem frühverstorbenen Herrn gehört habe. Und dies sei seine kleine Privatsammlung, die er auch auf Reisen mitführe.
    Für den Kapitän stand daraufhin fest, dass die Bücher einem Pestkranken gehört und die Ansteckung eingeschleppt hatten. Die Pest werde, wie jeder wisse, durch giftige Salbenübertragen, und er habe von Leuten gelesen, die gestorben waren, weil sie sich den Finger mit Speichel benetzt hatten, während sie Bücher durchblätterten, deren Seiten mit einem Gift getränkt worden waren.
    Pater Caspar beteuerte: Nein, in Mailand habe er das Blut der Pestkranken mit einer neuen Erfindung untersucht, einem starken Vergrößerungsglas, das Microscopo genannt werde, und er habe in jenem Blut etwas wie vermiculi schwimmen sehen, ein Gewimmel von winzigen Würmchen, und das seien genau die Elemente jenes contagium animatum gewesen, jener lebendigen Ansteckung, die durch vis naturalis bei jeder Verwesung entstünden und sich dann übertrügen, als propagatores exigui , durch die sudoriferen Poren oder durch den Mund oder manchmal sogar durch die Ohren. Aber dieses Gewimmel sei etwas Lebendiges und bedürfe des Blutes, um sich zu ernähren, es könne nicht zwölf und mehr Jahre zwischen den toten Fasern des Papiers überleben.
    Der Kapitän hatte jedoch auf kein Argument hören wollen, und so war Pater Caspars schöne kleine Bibliothek im Meer gelandet. Aber damit nicht genug: Obwohl der Pater wiederholt beteuerte, dass die Pest zwar von Hunden und Fliegen übertragen werden könne, nicht aber, seines Wissens, von Ratten und Mäusen, hatte sich die gesamte Mannschaft auf die Jagd nach den Nagern gemacht und überall herumgeballert, auch auf die Gefahr hin, Lecks im Schiffsrumpf zu verursachen. Und da Pater Caspars Fieber auch am nächsten Tag noch anhielt und die Beule nicht abschwellen wollte, hatte der Kapitän schließlich eine Entscheidung getroffen: Alle sollten sich auf die Insel begeben und dort abwarten, bis der Pater entweder gestorben oder genesen war, und dann würde das Schiff von allen bösen Flüssen und Einflüssen gereinigt werden.
    Gesagt, getan, alle waren in die Schaluppe gestiegen, beladen mit Waffen und Werkzeug. Und da sie voraussahen, dass es bis zu Pater Caspars Tod und der anschließenden Reinigung des Schiffes zwei oder drei Monate dauern konnte, hatten sie beschlossen, sich an Land Hütten zu bauen, und so war alles, was die Daphne zu einer Werkstatt machen konnte, im Schlepptau an Land mitgenommen worden.
    Nicht mitgezählt der größere Teil der Branntweinfässchen.
    »Aber sie haben nit gut gethan«, kommentierte der Pater mit Bitterkeit und mit Grausen über die Strafe, die ihnen der Himmel dafür geschickt hatte, dass sie ihn wie eine verlorene Seele zurückgelassen hatten.
    Kaum nämlich gelandet, hatten die Männer der Daphne einige Tiere im Wald getötet und abends große Feuer am Strand entzündet und ein lärmendes Fest gefeiert, das sich über drei Tage und drei Nächte hinzog.
    Vermutlich war es das Feuer, das die Wilden angelockt hatte. Denn obwohl die Insel selbst unbewohnt war, lebten in jenem Archipel doch Menschen, die schwarz wie Afrikaner waren und gute Seefahrer sein mussten. Eines Morgens sah Pater Caspar ein Dutzend »Piraguen«, die von irgendwo hinter der großen Insel im Westen kamen und sich der Bucht näherten. Es waren Boote aus hohlen Baumstämmen ähnlich denen der Indianer der Neuen Welt, aber immer zwei miteinander verbunden: In dem einen saßen die Ruderer, und das andere glitt wie ein Schlitten übers Wasser.
    Pater Caspar hatte zuerst gefürchtet, dass sie zur Daphne kämen, aber sie schienen das Schiff eher meiden zu wollen und hielten direkt auf die Landestelle hinter dem Kap zu. Er hatte zu schreien versucht, um die Männer auf der Insel zu warnen, aber die schliefen ihren Rausch aus. Kurzum, die Männer der Daphne fanden sich plötzlich umringt von Eingeborenen, die zwischen den Bäumen hervorlugten.
    Sie waren aufgesprungen, die Eingeborenen hatten sofort kriegerische Absichten bekundet, aber niemand wusste, was tun, und schon gar nicht, wo sie ihre Waffen gelassen hatten. Nur der Kapitän war vorgetreten und hatte einen der Angreifer mit einem Pistolenschuss

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