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Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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fahren und sich nur wenige Grade südlich des Äquators halten müssen, kann man wohl sagen, dass die Daphne vom Kurs abgekommen war.
    Und wenn es nur das gewesen wäre. Die Männer der Daphne müssen eine Küste in geringer Entfernung von der Insel gesehen haben, aber wahrscheinlich dachten sie, es handle sich um eine weitere Insel mit weiteren Ratten. Was sie suchten, war etwas ganz anderes, und wer weiß, was die Bordinstrumente ihnen und Pater Caspar sagten. Mit Sicherheit waren sie nur ein paar Ruderschläge von jener Terraincognita australis entfernt, von der die Menschheit seit Jahrhunderten träumte. Schwer begreiflich ist allerdings, wie sie es angestellt hatten – wenn man bedenkt, dass sie am Ende (wie wir noch sehen werden) auf dem 17. südlichen Breitengrad angelangt waren –, mindestens zwei Viertel von Australien zu umsegeln, ohne es je zu Gesicht zu bekommen: Entweder sind sie nach Norden zurückgefahren, und dann müssen sie sich zwischen Australien und Neuguinea hindurchgezwängt haben, ohne an das eine noch das andere gestoßen zu sein; oder sie sind weiter nach Süden gesegelt und dann zwischen Australien und Neuseeland hindurch, ohne je etwas anderes gesehen zu haben als offenes Meer.
    Man könnte meinen, ich erzählte hier einen Roman, wäre nicht ungefähr in jenen selben Monaten, in denen unsere Geschichte spielt, auch der Holländer Abel Tasman, von Batavia kommend, zu einer Insel gelangt, die er Van-Diemens-Land nannte und die wir heute als Tasmanien kennen; aber da auch er auf der Suche nach den Salomon-Inseln war, hatte er die Südküste jener Insel links liegengelassen, ohne zu ahnen, dass dahinter ein hundertmal größerer Kontinent lag, war im Südosten auf Neuseeland gestoßen, war nordöstlich an seiner Küste entlanggefahren und danach, in derselben Richtung weitersegelnd, auf die Tonga-Inseln gelangt; von dort muss er dann, denke ich, ungefähr dahin gekommen sein, wohin auch die Daphne gekommen war, doch er passierte die Korallenriffe und nahm Kurs auf Neuguinea. Was einer Zickzackfahrt nach Art einer Billardkugel gleichkam, aber wie es scheint, war es den Seefahrern noch viele Jahre lang beschieden, zwei Schritte vor Australien angelangt zu sein, ohne es jemals zu sehen.
    Nehmen wir also Pater Caspars Erzählung als wahrheitsgemäßen Bericht. Den Launen der Passatwinde folgend, war die Daphne dann erneut in einen Sturm geraten und dermaßen zugerichtet worden, dass sie auf einer Insel Gott weiß wo anlegen musste: auf einer baumlosen Insel, die nur aus einem Sandring um einen See in der Mitte bestand. Dort hatten sie das Schiff repariert, und so erklärt sich, warum es an Bord kein Bauholz mehr gab. Danach waren sie weitergefahren, bis sie in jener Bucht vor Anker gingen, in der die Daphne nun lag. Der Kapitän hatte das Beiboot mit einerVorhut an Land geschickt, hatte den Eindruck gewonnen, dass die Insel unbewohnt sei, hatte für alle Fälle seine wenigen Kanonen laden und in Stellung bringen lassen, und dann hatten drei grundlegende Unternehmungen begonnen.
    Erstens die Aufnahme von frischem Wasser und Lebensmitteln, die dem Ende entgegengingen; zweitens das Einfangen der Vögel und Sammeln der Pflanzen, die man zur Freude der Naturforscher des Ordens nach Hause mitbringen wollte; drittens das Fällen von Bäumen, um eine neue Reserve an Langholz und Planken und sonstigem Material zur Behebung künftiger Unbill anzulegen; und schließlich die Aufstellung der Specula Melitensis auf einer Anhöhe der Insel, und dies war die mühsamste Unternehmung gewesen. Sie hatten sämtliche Zimmermannsgeräte und die verschiedenen Teile der Specula aus dem Laderaum heraufschleppen und an Land bringen müssen, und diese Arbeit hatte viel Zeit erfordert, auch weil man nicht direkt in der Bucht anlegen konnte, da zwischen dem Schiff und dem Ufer, dicht unter der Wasserlinie und ohne passierbare Öffnung, eine Barriere, ein Bollwerk, ein Wall aus Korallen verlief – also das, was wir heute ein Korallenriff nennen würden. Nach vielen vergeblichen Versuchen hatten die Männer der Daphne schließlich entdeckt, dass sie um das Kap im Süden der Bucht herumfahren mussten, hinter dem es eine Stelle gab, wo man landen konnte. »Und eben darumb können wir das Boot, das verlassen ward von seinen Mannen, jetzo nit sehn, wiewol es gewißlich allweil noch dorten lieget, heu me miserum !« Aus der Art, wie Roberto die Reden von Pater Caspar wiedergibt, ist zu schließen, dass dieser deutsche Jesuit, der

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