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Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Hund, eingebildeten Laffen und widerspenstigen Bockel, auff daß er nie wieder seinen Fuss auff dieses Schiff setze!«
    Sprach's und ließ das Seil, an dem Roberto hing, wie eine Peitsche knallen, schlug es ihm einmal kurz ins Gesicht und ließ es dann los. Roberto drehte sich auf den Bauch und strampelte hustend und spuckend, es gelang ihm nicht, das Seil straff zu ziehen, er schrie um Hilfe und schluckte Wasser, und Pater Caspar schrie zurück, er solle nur recht schön zappeln und nach Luft schnappen, bevor er zur Hölle fahre, wie es sich für eine Missgeburt seines Schlages gehöre.
    Dann, als seine christliche Seele sich wieder meldete und ihm schien, dass Roberto genug bestraft worden war, zog er ihn hoch. Und für diesen Tag war sowohl der Schwimmunterricht wie der in Astronomie beendet, und die beiden legten sich jeder in seine Ecke schlafen, ohne ein weiteres Wort zu sagen.
     
    Am nächsten Tag versöhnten sie sich wieder. Roberto gestand, dass er an die Hypothese mit den Wirbeln nicht wirklich glaubte und eher der Ansicht war, dass die unendlich vielen Welten aus einem Umherwirbeln von Atomen im leeren Raum entstanden seien, was keineswegs die Existenz eines fürsorglichen Gottes ausschließe, der den Atomen Befehle gab und sie nach seinen Ratschlüssen organisierte, wie der Kanonikus von Digne es ihn gelehrt hatte. Doch Pater Caspar lehnte auch diesen Gedanken ab, da er eine Leere voraussetzte, in welcher sich die Atome bewegten, und Roberto hatte keine Lust mehr zu weiterer Diskussion mit einer so generösen Parze, die, statt das Seil abzuschneiden, an dem sein Leben hing, es zu lang werden ließ.
    Nachdem er sich hatte versprechen lassen, nicht mehr mit dem Tode bedroht zu werden, nahm er seine Schwimmübungen wieder auf. Pater Caspar versuchte ihn zu überzeugen, dass er sich im Wasser bewegen müsse, dies sei das Grundprinzip jeder Kunst des Schwimmens, und er empfahl ihm langsame Ruderbewegungen mit den Armen und Beinen, aber Roberto zog es vor, reglos zu dümpeln.
    Pater Caspar ließ ihn dümpeln und nutzte die Gelegenheit, ihm seine übrigen Argumente gegen eine Bewegung der Erde aufzuzählen. Erstens das Argument der Sonne. Wenn nämlich die Sonne unbewegt wäre und wir sie genau am Mittag aus der Tiefe eines Zimmers durchs Fenster sähen – und wenn die Erde sich so schnell drehen würde, wie behauptet wird, und das müsste ja ziemlich schnell sein, wenn sie sich in vierundzwanzig Stunden einmal um sich selbst drehen soll – dann müsste die Sonne im nächsten Moment aus unserem Blickfeld verschwunden sein.
    Sodann das Argument des Hagels. Manchmal hagelt es eine ganze Stunde lang, aber ob nun die Wolken nach Osten oder nach Westen ziehen, nach Norden oder nach Süden, nie hagelt es auf mehr als höchstens vierundzwanzig bis dreißig Meilen Landes im Umkreis. Wenn aber die Erde sich drehen würde und wenn die Hagelwolken vom Wind gegen die Drehrichtung der Erde getrieben würden, müsste der Hagel mindestens drei- bis vierhundert Meilen Landes bestreichen.
    Des weiteren das Argument der Weißen Wölkchen, die bei gutem Wetter am Himmel ziehen und immer mit gleicherLangsamkeit ihres Weges zu ziehen scheinen; während die westwärts ziehenden, wenn die Erde sich drehen würde, unheimlich schnell über den Himmel rasen müssten.
    Schließlich das Argument der Landtiere, die sich instinktiv immer nach Osten bewegen müssten, um sich in die Bewegung der sie beherrschenden Erde einzufügen; während sie große Aversion gegen eine Bewegung nach Westen bekunden müssten, da sie ihnen widernatürlich vorkäme.
    Roberto hörte sich all diese Argumente eine Zeitlang an, dann wurde es ihm zu dumm, und er setzte dieser ganzen Wissenschaft sein Argument des Begehrens entgegen:
    »Aber schlussendlich«, sagte er, »nehmt mir doch nicht die Freude zu denken, dass ich mich zum Fluge erheben könnte und die Erde unter mir kreisen sähe, und dass ich in vierundzwanzig Stunden die unterschiedlichsten Gesichter unter mir sähe, weiße, schwarze, braune, gelbe, mit Hut oder Turban, und Städte mit Kirchtürmen, bald spitz, bald gerundet, mit dem Kreuz darauf oder mit dem Halbmond, und Städte mit Türmen aus Porzellan und Dörfer mit Hütten, und Irokesen, die sich anschicken, einen Kriegsgefangenen lebendig zu verspeisen, und Frauen im Lande Tesso, die sich die Lippen blau anmalen, um den hässlichsten Männern der Welt zu gefallen, und solche aus dem Lande Camul, die von ihren Ehemännern dem erstbesten

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