Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages
dieser Bewegung die Luft anhalten muss, weil man mit dem Gesicht unter Wasser kommt, und zwar unter ein Wasser, das nichts anderes will, als die Nasenlöcher des Eindringlings zu erkunden. In den Büchern der Hydraulisch-Pneumatischen Mechanik hatte das nicht gestanden. Und so musste Roberto wegen Pater Caspars ignoratio elenchi eine weitere Portion Salzwasser schlucken.
Doch inzwischen hatte er gelernt zu lernen. Er probierte ein paarmal, sich um die eigene Achse zu drehen, und begriff ein für jeden Schwimmer elementares Prinzip, nämlich dass man, wenn man den Kopf unter Wasser hat, nicht atmen darf, nicht einmal durch die Nase, sondern dass man im Gegenteil kräftig blasen muss, als wollte man genau das bisschen Luft, das man so dringend braucht, aus den Lungen vertreiben. Das scheint eine instinktive Reaktion zu sein, ist aber keine, wie man aus dieser Geschichte lernt.
Immerhin hatte er nun auch begriffen, dass es ihm leichter fiel, auf dem Rücken zu liegen, mit dem Gesicht in der Luft, als auf dem Bauch. Mir scheint es umgekehrt zu sein, aber Roberto hatte es zuerst so gelernt, und so übte er sich ein bis zwei Tage darin. Und dabei diskutierten sie über die hauptsächlichsten Weltsysteme.
Sie kamen erneut auf die Frage der Erdbewegung zurück, und Pater Caspar hielt Roberto das Argument der Eklipsen entgegen: Wenn man die Erde aus dem Zentrum desUniversums herausnehme und statt ihrer die Sonne hineinversetze, müsse man die Erde entweder unter oder über den Mond setzen. Wenn man die Erde unter ihn setze, könne es nie eine Sonnenfinsternis geben, denn wenn der Mond über der Sonne oder über der Erde stehe, könne er sich nicht zwischen die Erde und die Sonne schieben. Und wenn man die Erde über ihn setze, könne es nie eine Mondfinsternis geben, denn wenn die Erde über dem Mond stehe, könne sie sich nicht zwischen ihn und die Sonne schieben. Außerdem könne die Astronomie dann nicht mehr, wie sie es bisher immer sehr gut gekonnt habe, die Sonnen- und Mondfinsternisse vorausberechnen, denn sie sei bei ihren Berechnungen von einer Bewegung der Sonne ausgegangen, und wenn die Sonne sich nicht mehr bewegte, wäre ihr Unternehmen vergebens.
Man bedenke ferner das Argument des Bogenschützen: Wenn die Erde sich in vierundzwanzig Stunden einmal um sich selbst drehen würde, müsste ein Pfeil, der von einem Bogenschützen senkrecht in die Höhe geschossen würde, viele Meilen weiter westlich wieder zur Erde fallen. Was dasselbe besage wie das Argument des Turms: Wenn man an der Westseite eines Turms ein Gewicht fallen lasse, dürfte es nicht zu Füßen des Turms landen, sondern erst ein gutes Stück weiter westlich, es dürfte also nicht senkrecht fallen, sondern nur schräg, denn in der Zwischenzeit müsste sich ja der Turm (mit der Erde) nach Osten weitergedreht haben. Da jedoch jedermann aus Erfahrung wisse, dass ein Gewicht senkrecht zu Boden falle, sei die Bewegung der Erde nachweislich ein Ammenmärchen.
Zu schweigen vom Argument der Vögel, die ja, wenn die Erde sich innerhalb eines Tages einmal um sich selbst drehen würde, niemals im Fluge mit ihrer Drehung schritthalten könnten, auch wenn sie noch so unermüdlich wären. Während wir doch ganz klar sehen könnten, dass selbst wenn wir im Galopp der Sonne entgegenreiten, jeder Vogel uns unschwer erreicht und sogar überholt.
»Na gut. Ich weiß nicht, was ich darauf erwidern soll. Aber ich habe sagen hören, dass sich, wenn man die Erde und alle Planeten rotieren und die Sonne feststehen lässt, sehr viele Erscheinungen erklären, während Ptolemäus sowohl die epizyklische als auch die deferierende Bewegung erfindenmusste und noch eine Menge andrer Flausen, die keinen Bestand nit haben, weder im Himmel noch auf Erden.«
»Ich verzeihe dir, wann du darmit einen Witz hast machen woln. Aber wann du ernstlich redest, sage ich dir, ich bin kein Heyde wie Ptolemaeus und weiß sehr wol, daß er viele Errores hat begangen. Und darumb glaube ich, daß der grosse Tycho von Uranienborg eine sehr richtige Idee gehabt hat: Er hat gemeynet, daß die Planeten, die wir kennen, also Jupiter, Mars, Venus, Mercurius und Saturnus, sich umb die Sonne drehen, indeß jedoch die Sonne mitsambt ihrer Umbgebung sich umb die Erde drehet und auch der Mond sich umb die Erde drehet und die Erde selbst stille stehet im Mittelpunckte des Kreyses der Fixsterne. So erklärest du die Errores Ptolemaei, ohne daß du Ketzereyen sagst, während Ptolemaeus eben Errores begangen
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