Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
Pater Caspar verwies ihn auf das bewegte Meer und auf weitere Berechnungen, die er machen müsse, und verschob die Schwimmstunde auf später. Gegen Abend erklärte er dann, zum Schwimmenlernen brauche man Konzentration und Ruhe, man dürfe den Kopf nicht in den Wolken haben. Und da er gesehen habe, dass Roberto genau zum Gegenteil neige, sei er zu dem Schluss gekommen, dass sein Schüler nicht die richtige Einstellung habe.
    Roberto fragte sich verwundert, wieso sein Lehrer, der so stolz auf sein Können war, seinen Plan so plötzlich aufgab. Und ich glaube, dass er zum richtigen Ergebnis kam. Pater Caspar hatte sich in den Kopf gesetzt, dass Roberto durch dasentspannte Liegen und Herumplätschern im lauwarmen Wasser, zumal in der warmen Sonne, eine Art Hirnaufwallung bekommen habe, die ihn zu gefährlichen Gedanken verführe. Das Gefühl, mit dem eigenen Körper auf du und du zu sein, das Eintauchen in die Flüssigkeit, die ja doch Materie war, lasse ihn in gewisser Weise vertieren und wecke jene Gedanken in ihm, die nichtmenschlichen und verrückten Naturen eigen sind.
    Daher musste Pater Caspar Wanderdrossel sich etwas anderes einfallen lassen, um die Insel zu erreichen: etwas, was nicht Robertos Seelenheil kostete.

 
    25
    TECHNICA CURIOSA
     
    A ls Pater Caspar sagte, es sei wieder Sonntag, machte Roberto sich bewusst, dass schon mehr als eine Woche seit dem Tag ihrer Begegnung vergangen war. Der Pater zelebrierte die Messe, dann sah er ihn mit entschlossener Miene an.
    »Ich kann nit warten, bis du schwimmen gelernt hast«, sagte er.
    Roberto antwortete, es sei nicht seine Schuld, dass er es noch nicht gelernt habe. Der Jesuit räumte ein, dass es vielleicht nicht seine Schuld war, aber inzwischen seien die Unbilden des Wetters und die wilden Tiere dabei, seine Specula zu ruinieren, die eigentlich jeden Tag gepflegt werden müsse. Darum bleibe als Ultima Ratio nur eine Lösung: Er selbst werde sich auf die Insel begeben. Und auf die Frage, wie er das anstellen wolle, antwortete der Pater, er werde es mit der Wasserglocke versuchen.
    Schon lange habe er studiert, erklärte er, wie man unter Wasser fahren könnte. Er habe sogar schon ein passendes Fahrzeug entworfen, ein Boot aus Holz, mit Eisen verstärkt und mit einem zweiten Rumpf, der es nach oben verschloss, so wie ein Deckel eine Schachtel verschließt. Das Boot wäre zweiundsiebzig Fuß lang, zweiunddreißig hoch und acht breit gewesen, und es wäre durch sein Gewicht unter die Oberfläche gesunken. Es wäre durch ein Schaufelrad angetrieben worden, das von zwei Männern im Innern gedreht worden wäre, so wie die Esel ein Mühlrad drehen. Und um zu sehen, wo man sich befand, hätte man ein Tubospicillum hinausgeschoben, eine Art Fernrohr, das durch entsprechend montierte Spiegel erlaubt hätte, von innen zu erkunden, was draußen im Freien geschah.
    Warum er es nicht gebaut habe? Weil die Natur nun einmalso beschaffen sei – sagte er – zur Demütigung unserer Wenigkeit: Es gebe Ideen, die auf dem Papier ganz perfekt erschienen, aber in der Wirklichkeit seien sie dann alles andere als perfekt, und niemand wisse, warum.
    Stattdessen habe er aber die Campana Aquatica oder Wasserglocke gebaut. »Und die dummen Leut, so sie hörten, daß einer auff des Rheines Grund hinabsteigen kann, ohne darbey nass zu werden, und sogar mit einem Feuerbecken in der Hand, hätten sie's eine Verrucktheit geheißen. Doch der Beweis per experimentum ist erbracht worden, und zwar schon beynah vor einem Säkulum in der Festung zu Toleto in Hispanien. Also werde ich die Insel mit meiner Wasserglocken erreichen, indem ich unter dem Wasser marschire, wie du mich hier marschiren siehst.«
    Er stieg in das »Zwiebackmagazin« hinunter, das offenbar ein unerschöpfliches Lager war: außer den astronomischen Gerätschaften enthielt es noch anderes. Roberto musste weitere Stangen und eiserne Halbkreise an Deck tragen, dazu eine große, zu einem Bündel geschnürte Tierhaut, die noch nach ihrem gehörnten Spender roch. Vergeblich erinnerte er daran, dass man doch, wenn heute Sonntag war, am Tag des Herrn nicht arbeiten dürfe: Pater Caspar erwiderte, das sei keine Arbeit, schon gar keine niedrige, sondern Ausübung einer der edelsten Künste, und ihre Mühsal werde dem Wachstum der Kenntnis des großen Buchs der Natur zugutekommen. Mithin sei sie wie das Meditieren über den heiligen Texten, von denen sich das Buch der Natur nicht entferne.
    Roberto musste sich also an die Arbeit

Weitere Kostenlose Bücher