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Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Mutterschoß und beschließt, nun erst recht die Sonne zu meiden. Vielleicht hatte er von jenen Auferstandenen aus Ungarn, Livland oder der Walachei gelesen, die von Sonnenuntergang bis zur Morgendämmerung ruhelos umgehen, um sich beim ersten Hahnenschrei wieder in ihre Gräber zu legen – eine Rolle, die ihn reizen könnte ...
     
    Roberto muss seine Inspektion des Schiffes in der zweiten Nacht begonnen haben. Er hatte nun lange genug gerufen, um sicher zu sein, dass sich außer ihm niemand an Bord befand. Aber er hätte, und das fürchtete er, Tote finden können, irgendwelche Zeichen, die das Fehlen von Lebenden zu erklären vermochten. So bewegte er sich mit Vorsicht voran, und aus den Briefen geht nicht recht hervor, in welche Richtung, denn er benennt das Schiff, seine Teile und die Gegenstände an Bord nur ungenau. Einige sind ihm vertraut, denn er hat ihre Namen von den Matrosen der Amarilli gehört, andere sind ihm unbekannt, und er beschreibt sie so, wie sie ihm erscheinen. Aber auch die bekannten Dinge muss er vom einen französisch, vom anderen holländisch, vom dritten englisch benannt gehört haben – was dafür spricht, dass die Besatzung der Amarilli aus Abenteurern der sieben Meere zusammengewürfelt war. So nennt er den Höhenmesser gelegentlich staffe , wie er es wohl von Doktor Byrd gehört hatte; man versteht nur mit Mühe, wie er sich einmal auf dem Achterkastell oder dem hinteren Aufbau befinden kann und ein andermal auf dem hinteren gagliardo , was von französisch galliard kommt und dasselbe heißt; die Geschützpforten nennt er sabordi , von französisch sabords , was ich ihm gern erlauben will, denn es erinnert mich an die Seefahrergeschichten, die ich als Kind gelesen habe; er spricht von einem parrocchetto , was für uns ein Segel am Fockmast, also ein Vormarssegel wäre, aber da für die Franzosen perruche das Besansegel ist, das sich hinten am Besanmast befindet, weiß man nicht genau, was er meint, wenn er schreibt, er sei »unter der parrucchetta « gewesen. Ganz zu schweigen, dass er den Besanmast zuweilen nach Art der Franzosen artimone nennt, womit sich die Frage erhebt, was er dann meinen mag, wenn er mizzana schreibt, was für die Franzosen der Fockmast ist (nicht aber für die Engländer, deren mizzenmast , genau wie unsere mezzana , eben der Besanmast ist). Und wenn er von einer gronda spricht, meint er sicherlich keine Dachtraufe, sondern wahrscheinlich das, was die Seeleute ein »Speigatt« nennen, das heißt ein Abflussloch in der Bordwand. Deshalb treffe ich hiermit eine Entscheidung: Ich werde herauszufinden versuchen, was er gemeint hat, und werde dann die uns geläufigsten Ausdrücke nehmen. Und wenn ich mich dabei einmal irre, ist es nicht schlimm: An der Geschichte ändert sich nichts.
     
    Nach diesen Prämissen halten wir also fest, dass Roberto in jener zweiten Nacht, nachdem er einen Vorrat an Lebensmitteln in der Kombüse gefunden hatte, sich im Mondlicht an die Überquerung des Mitteldecks machte.
    An den Bug und die nach oben gewölbten Seiten denkend, die er undeutlich in der vorigen Nacht gesehen hatte, das schlanke Deck, die Form des Achterkastells und das schmale Rundheck mit denen der Amarilli vergleichend, kam Roberto zu dem Schluss, dass auch die Daphne eine holländische Fleute oder Fluite war, auch Fluyt, Flûte, Fliete, Flyboat oder Fliebote genannt, also eines jener Handelsschiffe mittlerer Größe, die für gewöhnlich mit etwa zehn Kanonen bestückt waren, zur Entlastung des Gewissens im Falle eines Piratenangriffs, und die mit einer zwölfköpfigen Besatzung auskamen, aber dazu noch viele Passagiere aufnehmen konnten, wenn man auf die (ohnehin kargen) Bequemlichkeiten verzichtete und die Schlafstätten so eng zusammenpferchte, dass es kein Durchkommen mehr gab – und dann großes Sterben durch Miasmen aller Art, wenn nicht genügend Eimer da waren ... Eine Fleute also, aber größer als die Amarilli und mit einem Deck, das auf ein einzigesGitterwerk reduziert schien, als wäre der Kapitän entschlossen gewesen, bei jeder etwas größeren Sturzwelle Wasser zu fassen.
    Jedenfalls war es ein Vorteil, dass die Daphne eine Fleute war, denn so konnte Roberto sich mit einer gewissen Ortskenntnis auf ihr bewegen. Zum Beispiel wusste er nun, dass auf dem Oberdeck die große Schaluppe hätte stehen müssen, in der die ganze Mannschaft Platz fand, und die Tatsache, dass sie nicht da war, ließ darauf schließen, dass die Mannschaft anderswo war. Was

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