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Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages

Titel: Die Insel des vorigen Tages - Eco, U: Insel des vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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wenig ans Feuer haltet.«
    »Mein Hauslehrer hat einmal, als ein Bauer von einer Viper gebissen worden war, den Kopf der Viper über die Wunde gehalten.«
    »Natürlich. Das Gift, das zum Herzen unterwegs war, ist umgekehrt und zurückgeflossen zu seiner Hauptquelle, wo es in größerer Menge vorhanden war. Wenn man in Pestzeiten ein Gefäß mit Krötenpulver oder auch eine lebende Kröte und eine lebende Spinne oder sogar Arsen mit sich herumträgt, werden diese giftigen Substanzen die Infektionder Luft an sich ziehen. Und trockene Zwiebeln grünen im Kornspeicher, wenn die im Garten ausgesäten zu sprießen beginnen.«
    »Und das erklärt auch die Gelüste der Kinder: Die Mutter begehrt sehr stark etwas, und ...«
    »Da würde ich vorsichtiger sein. Manchmal haben gleiche Erscheinungen verschiedene Ursachen, und der Mann der Wissenschaft darf nicht jedem Aberglauben aufsitzen. Aber kommen wir zu meinem Pulver. Was ist geschehen, als ich das blutgetränkte Tuch unseres Freundes ein paar Tage lang der Einwirkung des Pulvers ausgesetzt habe? Zunächst haben Sonne und Mond aus großer Entfernung die Geister des Blutes, die sich auf dem Tuch befanden, dank der Wärme ihrer Umgebung angezogen, und die Geister des Vitriols, die sich im Blut befanden, konnten nicht umhin, den gleichen Weg zu gehen. Zugleich aber fuhr die Wunde fort, große Mengen von warmen und feurigen Geistern auszusenden, wodurch sie die Luft um sich her anzog. Diese Luft zog andere Luft an und diese wieder andere, und die Geister des Blutes und des Vitriols, die weiträumig in der Luft verstreut waren, verbanden sich schließlich mit jener Luft, die andere Atome desselben Blutes mit sich trug. Und als nun die Atome des Blutes vom Tuch und diejenigen aus der Wunde sich begegneten und die Luft vertrieben wie einen unnütz gewordenen Weggefährten und sich zu ihrem Hauptwohnsitz hingezogen fühlten, also zur Wunde, da sind zusammen mit ihnen die Geister des Vitriols in das Fleisch eingedrungen und haben die Wunde geheilt.«
    »Aber hättet Ihr das Vitriol nicht auch direkt auf die Wunde tun können?«
    »Das hätte ich, da ich die Wunde ja vor mir hatte. Aber wenn sie nun weit entfernt gewesen wäre? Und außerdem, wenn ich das Vitriol direkt auf die Wunde getan hätte, hätte seine ätzende Kraft sie noch sehr viel mehr schmerzen lassen, während es, wenn es durch die Luft transportiert wird, nur seinen sanften und balsamischen Teil abgibt, der die Blutung zu stillen vermag und auch in Augentropfen benutzt wird.«
    Roberto horchte auf und beschloss, sich diesen Rat für die Zukunft zu merken, was sicherlich die Verschlimmerung seines Augenleidens erklärt.
    »Allerdings«, fügte d'Igby hinzu, »darf man natürlich nicht das gemeine Vitriol verwenden, wie man es früher gewöhnlich tat, womit man mehr Unheil als Heilung bewirkte. Ich beschaffe mir Zyprisches Vitriol, und bevor ich es anwende, kalziniere ich es an der Sonne: Die Kalzinierung nimmt ihm die überflüssige Feuchtigkeit, ich koche es sozusagen zu einer Kraftbrühe ein. Außerdem mache ich dadurch die Geister dieser Substanz bereit, sich von der Luft transportieren zu lassen. Schließlich füge ich noch Tragantgummi hinzu, der die Wunde schneller vernarben lässt.«
     
    Ich habe mich deshalb so lange bei dem aufgehalten, was Roberto alles von d'Igby gelernt hatte, weil diese Entdeckung sein weiteres Schicksal bestimmen sollte.
    Gesagt werden muss aber auch zur Schande unseres Freundes – und er selbst gesteht es in seinen Briefen –, dass er nicht etwa aus Interesse an der Naturwissenschaft von diesen Enthüllungen so beeindruckt war, sondern immer noch und erneut nur aus Liebe. Mit anderen Worten, die Beschreibung eines Universums voller Geister, die sich gemäß ihren Affinitäten miteinander verbinden, erschien ihm als eine Allegorie der Verliebtheit, und er begann die Lesekabinette zu frequentieren, um alles zu verschlingen, was er über die Waffensalbe finden konnte, und das war damals schon viel und sollte in den folgenden Jahren noch wesentlich mehr werden. Beraten von Monsignor Gaffarel (halblaut, damit es die anderen Stammgäste im Kabinett Dupuy nicht hörten, die wenig von diesen Dingen hielten), las Roberto die Ars Magnesia von Kircher, den Tractatus de magnetica vulnerum curatione von Goclenius, die medizinischen Schriften von Fracastoro, den Discursus de unguento armario von Fludd und den Hopolochrisma spongus von Foster. Er machte sich wissend, um dann sein Wissen in Poesie

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