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Die Insel Des Vorigen Tages

Die Insel Des Vorigen Tages

Titel: Die Insel Des Vorigen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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er an jenen Ort gelangte, wo er nicht mehr wissen würde, was aus dem Tag und der Nacht geworden war und was aus dem Vergehen der Jahrhunderte.
    Doch bis dahin würde er in einer Liebe von solcher Zartheit ruhen, daß es ihm nichts mehr ausmachen würde, Lippen, Hände, Pupillen zu verlieren. Sein Körper würde sich aller Säfte entledigen, des Blutes, der Galle und allen Schleims, das Meerwasser würde durch alle Poren eindringen, würde durch die Ohren und die Gehörgänge ins Gehirn gelangen, um es mit Salzlauge zu Aberziehen, würde den glasigen Gallert der Augen ersetzen, würde die Nasenlöcher ausfallen, um alle Spuren des irdischen Elements zu verwischen. Gleichzeitig würden die Sonnenstrahlen ihn mit Feuerpartikeln versorgen, und diese würden die Flüssigkeit zu einem bloßen Tau aus Luft und Feuer verdünnen, der sich, durch die Kraft der Sympathie angezogen, zum Himmel erheben würde. Und er, Roberto, würde, nun leicht und fast schwerelos geworden, sich mit diesem Tau erheben, um sich zuerst mit den Geistern der Luft zu vereinen und dann mit denen der Sonne.
    Und dasselbe würde mit Lilia geschehen im reglosen Licht jener Klippe. Sie würde sich ausdehnen wie bis zur feinsten Blattgoldstärke geschlagenes Gold.
    So würden sie sich im Lauf der Tage in jenem Einverständnis vereinen. Moment für Moment würden sie füreinander wirklich wie die zwei starren Füße eines Zirkels werden, deren jeder sich gemäß der Bewegung des anderen bewegt, indem er sich neigt, wenn der andere in die Ferne schweift, und sich wieder aufrichtet, wenn der andere zurückkehrt.
    Sodann würden sie beide ihre Reise in der Gegenwart fortsetzen, geradewegs zu dem Stern, der sie am Himmel erwartete, Atomstaub zwischen den anderen Teilchen im Kosmos, Wirbel zwischen den anderen Wirbeln, nun ewig wie die Welt, da zusammengesetzt aus Leere. Dabei versöhnt mit ihrem Schicksal, denn das Beben der Erde bringt zwar Leiden und Ängste, doch das Erzittern der Sphären ist unschuldig.
    Also würde die Fortsetzung ihm auf jeden Fall einen Sieg bringen. Er durfte nicht zögern. Doch er durfte auch nicht zu diesem triumphalen Opfergang schreiten, ohne ihn mit den passenden Riten umgeben zu haben. Roberto vertraut seinen Papieren die letzten Taten an, die zu vollbringen er sich anschickt, und für den Rest läßt er uns Gesten, Zeiten, Kadenzen erraten.
    Als erste befreiende Reinigungstat hatte er fast eine Stunde damit verbrachte, einen Teil jenes Lattenrosts zu entfernen, der das Oberdeck vom Unterdeck trennte. Dann war er hinuntergestiegen und hatte einen nach dem anderen alle Käfige geöffnet. Je mehr Bastgeflecht er gelöst hatte, desto dichter war das Flügelgeflatter geworden, das ihn umschwirrte, so daß er sich schätzend die Hände vors Gesicht halten mußte, doch zugleich hatte er »Ksch, ksch!« gerufen, um die Gefangenen zur Flucht zu ermuntern, und hatte sogar die Hühner ins Freie gescheucht, die aufgeregt gackerten, ohne den Ausgang zu finden.
    Bis er dann, als er wieder an Deck war, den artenreichen Schwarm hatte aufsteigen sehen zwischen der Takelage, und sekundenlang war es ihm vorgekommen, als wäre die Sonne von allen Farben des Regenbogens bedeckt gewesen, dazu kreuz und quer durchschossen von den Farben der Seevögel, die neugierig herbeigeeilt waren, um sich an dem Fest zu beteiligen.
    Sodann hatte er alle Uhren ins Meer geworfen, und dabei hatte er keineswegs gedacht, daß er kostbare Zeit verlor: Er löschte die Zeit aus, um sich auf eine Reise gegen die Zeit einzustimmen.
    Schließlich hatte er, um sich jeden Rückzug unmöglich zu machen, auf dem Deck unter dem Hauptmast Rundhölzer, Bretter und Faßdauben aufgeschichtet, hatte sie mit dem Öl aller Lampen übergossen und angezündet.
    Erste Flammen waren aufgelodert, die sofort an den Segeln und Wanten zu lecken begannen. Als er sicher war, daß der Brand aus eigener Kraft um sich greifen würde, hatte er sich zum Abschied gerüstet.
    Er war immer noch nackt, seit er sich ausgezogen hatte, um sein Sterben mit der Verwandlung in einen Stein zu beginnen. Nackt und bar nun sogar des Seils, das seine Reise nicht mehr begrenzen durfte, war er ins Meer gestiegen.
    Er hatte die Füße gegen die Planken gestemmt und sich abgestoßen, war an der Daphne entlanggeschwommen bis zum Heck und hatte sich dann für immer von ihr entfernt, hin zu einer der beiden Glückseligkeiten, die ihn gewiß erwarteten.
    Bevor das Schicksal und das Meer die Wette für ihn entschieden

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