Die Insel: (Inseltrilogie #1) (German Edition)
erwachsen. Colin und ich haben uns am Tag danach den restlichen Jugend lichen auf dem Landgut angeschlossen. Wir hatten unser eigenes Zimmer, aber dort verbrachten wir nicht viel Zeit. Viel öfters waren wir draußen, um Pfeile und Bögen für die Jagd zu fertigen. Man brachte uns bei wie man Fischernetze knüpft. Wir lernten wie man Feuer macht – auch wenn mir persönlich das noch nicht eingeleuchtet hat. Und einige Zeit später hat Saul die meisten Räume im Herrenhaus für sich beansprucht, aber drinnen schlafen hatte keine Priorität mehr. Wir hatten unsere eigenen Zelte und Hütten.
Wir haben gelernt, uns selbst zu versorgen.
Ich zucke zusammen als ich dunkle Wolken am Horizont ballen sehe. Gewitterwolken sind ein böses Omen. Die Geschichten unserer Vorfahren erzählen von Regen, der die Haut versengt und die Leute krank macht. Das ist zu meinen Lebzeiten zwar noch nicht vorgekommen, aber wir haben immer noch Angst davor.
Es wird Zeit mir einen Unterschlupf zu suchen.
-2-
ALS ICH nach dem Regenguss zum Camp zurückkehre, wartet nur noch Mara auf mich, ein Bündel Campingausrüstung zu ihren Füßen.
„Da bist du ja endlich“, ruft sie erleichtert. „Was ist denn mit dir passiert?“ Ihre Hand greift nach meinen tief schwarzen Haaren, die mit Meersalz verklumpt und vom Wind ganz zerzaust sind.
Ich zucke mit den Achseln. „Eigentlich gar nichts. Ich bin bis zum Strand gelaufen und bin dann eine Weile dort geblieben, um mich abzuregen. Ich musste wirklich weg von Ben.“
„Wem geht das nicht so?“, seufzt Mara. „Er sollte zur Ordnung gerufen werden, aber wer soll das machen?“
„Du“, necke ich sie. „Ich wette, ihm tut immer noch die Nase weh.“
Mara starrt stur auf ihre Füße. „Ja, wegen dieser Sache... möchte ich gerade wirklich nicht zum Haus zurück. Saul wird mir wahrscheinlich die denkbar beschissenste Aufgabe auftragen, weil ich seinem Bruder einen linken Haken verpasst habe. Ich wette, ich werde die nächsten drei Wochen im Waschhaus dreckige Bettlaken scheuern.“
Zusammen packen wir mein Zelt ein und machen uns auf den Weg nach Hause. Mara läuft still neben mir. „Ich muss echt weg von hier“, bricht sie schließlich die Stille. „Bevor Saul auf die Idee kommt, mich mit seinem Bruder zu verheiraten nur damit er seine Ruhe vor ihm hat.“
„Eine arrangierte Ehe?“ Mir klappt die Kinnlade runter. „Jetzt mach mal einen Punkt, das gibt es nicht mehr! Wir haben die Freiheit zu wählen.“
„Falls du es noch nicht mitgekriegt hast: Saul ist wirklich kein großer Fan von Freiheit. Der Kerl spinnt doch. Vielleicht stammt er von Narren ab?“
Ich kichere. „Bist du über die Mauer geklettert und auf den Kopf gefallen? Niemand hier stammt von Narren ab.“
Mara schlägt ihre Augen nieder. „Bist du denn niemals neugierig, Leia? Auf die Menschen auf der anderen Seite der Mauer?“
„Natürlich nicht“, wehre ich schnell ab. „Wir wissen doch wie diese Leute sind.“
„Warum? Weil Saul es so sagt?“
„Nein, weil unsere Eltern es uns so beigebracht haben. Und sie haben es von ihren Eltern gelernt. Davon abgesehen steht es auch in der Schrift.“
„Zumindest in dem Teil, den wir lesen dürfen“, murmelt Mara.
Ich bleib mitten auf dem Weg stehen und starre meine beste Freundin an. „Mara, wovon redest du? Wer hat dir denn solche Sachen erzählt?“
„Andy“, bekennt Mara. „Er sagt...“
„Was sagt er?“, bohre ich nach, als Mara sich auf die Lippe beißt und auf den Boden starrt. Meine beste Freundin errötet leicht unter meinem fragenden Blick.
„Ich und Andy hatten ein Date,“ stammelt sie. „Bevor wir auf diese Wanderung gehen mussten. Wir waren den ganzen Abend zusammen. Und er hat mir ein Geheimnis anvertraut. Über die Schrift. Er sagt, dass Saul uns Dinge vorenthält.“
Andy und Mara? Mein Herz bekommt einen kleinen Riss. Ich gebe zu, dass ich eigentlich niemanden wirklich mag, aber wenn ich mir jemanden aussuchen müsste, wäre es Andy. Der achtzehnjährige Andy mit seinen freundlichen, braunen Augen, dem schwarzen Haar und den breiten Schultern. Aber er mag Mara. Meine beste Freundin mit ihrem schlanken, biegsamen Körper, den kastanienbraunen Haaren und ihren fünfzehn Jahren. Für eine kurze Sekunde schmecke ich bittere Eifersucht auf der Zunge, doch dann bemerke ich den Ausdruck von Unsicherheit in Maras Augen. Sie will mich nicht wegen dieser Sache verlieren.
„Also, was hat Andy denn genau gesagt?“, frage ich und bohre
Weitere Kostenlose Bücher