Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler
aber ich bezweifelte, dass jemand anders es bemerken konnte. Sie war so ruhig wie ein Gebirgssee. » Dem Gesetz nach dürfen Bürgerrechtslose drei Tage bleiben, bevor sie wieder weiterziehen müssen.«
» Du hast unsere jungen Männer verdorben! Mit Kartenspielen!« Seine Wut war beinahe greifbar, und ich zuckte zusammen.
Sie blickte ihn ausdruckslos an. » Ich wüsste nicht, dass ich ihnen hätte beibringen müssen, wie man spielt. Oder wie sie ihr Geld einzusetzen hatten. Sie schienen mir bereits vor meiner Ankunft ziemlich vertraut mit der Sache zu sein.«
» Dein Verhalten ist typisch für die ungebührlich Gezeugten. Wir wollen Leute wie dich hier nicht. Ich will dein Brandzeichen sehen.«
Ich zuckte bei seinem Ton und dem Geruch seiner kaum zurückgehaltenen Wut zusammen. Ihr dagegen schien die Art, wie seine Augen schmaler und die Stimme flacher wurde, keinerlei Angst zu machen. Dennoch ließen seine Worte sie innehalten. Mir stockte der Atem. Da war etwas Atemberaubendes an ihr, eine Würde, die sie über ihre Situation erhob und ihn als das zeigte, was er war: ein kleiner und armseliger Mann. Aber es war nicht nur Würde, da brannte auch eine tiefe und beständige Wut, die sie selbst ohne Schwert in der Hand gefährlich erscheinen ließ. Die Spannung in dem Zimmer wuchs weiter. Ohne ein Wort zu verlieren und mit einer beherrschten Sparsamkeit ihrer gemessenen Bewegungen öffnete sie die obersten Knöpfe ihres Hemdes und entblößte ihren Rücken, so dass er das Zeichen dort sehen konnte. Es war eine hässliche Narbe in Gestalt eines leeren Dreiecks, das tief in die Haut ihres Schulterblattes eingebrannt worden war. Es war nicht gut verheilt, und die Haut drum herum war runzlig.
Sie rückte ihr Hemd wieder zurecht. » Vergebt mir«, sagte sie, und die Ironie ihrer Worte verdeckte nur oberflächlich die tief in ihr lodernde Wut. » Ich wusste nicht, dass es hier gegen das Gesetz verstößt, Karten zu spielen. Es war auch schwerlich zu erkennen. Mit Eurer Erlaubnis mache ich mich jetzt wieder auf den Weg.« Sie wandte sich von ihm ab, möglicherweise, um ihr Schwertgehenk aufzunehmen.
Was dann geschah, ging so schnell, dass die Warnungen, die sowohl von mir als auch der Cirkasin ausgestoßen wurden, zu spät kamen. Der Priester machte einem der vier verbliebenen Keulenschwinger ein Zeichen, und so rasch wie ein spuckender Selber schwang der Mann den Knüppel, wobei er auf ihren Kopf zielte. Sie allerdings war genügend gewarnt, um die größte Wucht des Schlages mit ihrer Schulter abzufangen. Aber auch so war sie benommen und im Nachteil. Oder zumindest dachte ich das, denn einen Moment später war ich mir nicht mehr so sicher. Als sie taumelte, versuchte einer der anderen Männer sie hart gegen die Wand zu stoßen. Sie duckte sich nach unten, als würde sie schwanken, und irgendwie flog der Bursche geradewegs über ihren Rücken. Bevor er auf dem Boden aufkam, richtete sie sich auf, und so war es sein eigener Kopf, der gegen die Steine der Wand prallte, nicht ihrer. Er war bewusstlos. Es sah alles ganz zufällig aus, aber etwas an der Geschmeidigkeit ihrer Bewegungen verwunderte mich. Dennoch war sie auch selbst ziemlich blass und musste sich an der Mauer abstützen, um stehen zu bleiben. Blut tropfte aus den Haaren über der Schläfe. Ich bezweifelte, dass ihre Benommenheit vorgetäuscht war; sie hatte durch den Schlag beinahe das Bewusstsein verloren, und nach dem Kampf ging es ihr noch schlechter.
Ich trat vor, um einzuschreiten. » Wartet einen Moment«, sagte ich zu dem Priester. » Das war nicht nötig! Ihr habt die Frau verletzt, obwohl sie keinen Widerstand geleistet hat. Ich bin Arzt; gestattet mir, dass ich sie untersuche. Und ihn auch«, fügte ich nach einer kurzen Pause hinzu.
Der Priester sah mich kühl an. » Wir brauchen keine Einmischung durch heidnische Medizinmänner.«
» Sie haben vielleicht eine Gehirnerschütterung …«
» Willst du dich mir widersetzen, Hirte?«, fragte er mit deutlichem Abscheu in der Stimme. Er gab den übrigen Keulenschwingern ein Zeichen. Einer von ihnen packte ihre Arme und zwang sie ihr auf den Rücken; ein anderer hatte Handschellen darumgelegt, ehe sie sich wehren konnte. Sie hatten so etwas ganz offensichtlich schon häufiger getan. Der Priester gestikulierte, und sie schoben sie durch die Tür. Die Cirkasin war jetzt ebenfalls auf den Füßen und stand neben mir; ihr Gesicht war so blass wie ein Wiesenglöckchen. Der Priester wandte sich uns wieder
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