Die Inseln des Ruhms 02 - Der Heiler
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Brief des Feldforschers (Sonderbeauftragten) S. iso Fabold, Nationalforschungsministerium, Bundeshandelsministerium, Kell, an den Leitenden M. iso Kipswon, Präsident der Nationalen Gesellschaft für das Wissenschaftliche, Anthropologische und Ethnographische Studium nicht-kellischer Völker.
Heutiges Datum, 28 – 2 . Einzelmond – 1793
Lieber Onkel,
ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich meine Korrespondenz in letzter Zeit etwas vernachlässigt habe; ich war damit beschäftigt, Informationsblätter für das Ministerium zu erstellen. Es wird tatsächlich in Erwägung gezogen, eine ganze Flotte für eine Handelsreise zu den Ruhmesinseln zu finanzieren! Du kannst dir vorstellen, wie mich das freut. Noch mehr würde es mich natürlich freuen, wenn unsere Bürokraten endlich begriffen hätten, dass sich ein offizieller Handel mit den Ruhmesinseln als lukrativ erweisen wird – und dass andere Nationen des Festlands uns zuvorkommen werden, wenn wir es nicht tun (mir fallen spontan die Königsstaaten ein) –, aber offenbar ist die Idee einer Handelsreise eher dem Druck der Liga der Kellischen Missionare zu verdanken. Die religiösen Gruppen geben der Expedition den Anschein einer Handelsmission, um Gelder von der Regierung zu bekommen, was, wie du weißt, bei religiösen Projekten nicht möglich wäre. Wie es aussieht, haben sie bei einigen Ministern des Kabinetts Gehör gefunden.
Ich selbst glaube übrigens, dass sich die Ruhmesinseln für die Missionare als eher unfruchtbarer Boden erweisen werden, was die Suche nach neuen Seelen betrifft. Wie du dich aus früheren Berichten von mir erinnern wirst, gibt es dort bereits eine monotheistische Religion mit einem Netzwerk aus Priestern, die als Patriarchen bezeichnet werden, und einer Laienbruderschaft. Der Glaube dieser Menoden, wie sich diese Gemeinschaft nennt – der Begriff Menode bedeutet in etwa » Mensch Gottes« – ist auf den Inseln sehr verbreitet.
Wie auch immer, ich habe dieser Sendung auch das nächste Päckchen mit Gesprächen beigelegt, wie immer von Nathan iso Vadim übersetzt und für dich zur Durchsicht bestimmt. Sie stammen diesmal von einem anderen Erzähler, einem Arzt, der ursprünglich einer bäuerlichen Gemeinschaft von Hirten entstammt, die auf einer Insel namens Mekaté lebt. Ich glaube nicht, dass er mit uns gesprochen hätte, wenn Glut ihn nicht dazu überredet hätte; außerdem kann ich nicht behaupten, dass ich ihn sonderlich mag. Er war stets höflich, wenn auch etwas jähzornig, aber irgendwie konnte ich mich des Gefühls nicht erwehren, dass er sich insgeheim über mich amüsierte. Aber urteile selbst. Wie üblich, habe ich die Gespräche nur wenig bearbeitet. Wir haben darauf verzichtet, seinen Akzent im gewöhnlichen Erzähltext irgendwie bewahren zu wollen, weil sich das für die Leser als relativ anstrengend erweisen würde. Es ist ohnehin schwer vorstellbar, wie das bei einer Übersetzung gehen könnte. Diese Hochlandhirten rollen das » r« auf eine sehr ermüdende Art und Weise, wenngleich es natürlich Leute gibt, die den singenden Tonfall dieser Sprache sogar anziehend finden. In der Übersetzung der direkten Rede des Mannes hat Nathan ihm zumindest ein Minimum an Eigenarten gelassen, wie wir sie zum Beispiel auch aus der Sprache unserer kellischen Hochländer kennen.
Bitte übermittle Tante Rosris meine herzlichsten Grüße, und sage ihr, dass sie keine voreiligen Schlüsse ziehen soll. Sie weiß schon, was ich meine! Anyara und ich sind beide erwachsen und uns nur zu sehr bewusst, dass ein Ethnograph wie ich, der immer wieder lange Zeit auf Reisen ist, sich höchstwahrscheinlich nur schlecht als Ehemann eignet. Es ist ein Problem, das noch niemand von uns zu unserer Zufriedenheit gelöst hätte.
Stets
Dein gehorsamer Neffe,
Shor iso Fabold
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Erzähler: Kelwyn
Ich bin Glut und Flamme zum ersten Mal begegnet, als ich meine Frau umgebracht habe. Genauer gesagt, am Abend davor. Und jetzt soll ich euch also etwas darüber erzählen. Glaubt mir, ich würde bestimmt nicht davon reden wollen, aber Glut hat darauf bestanden. Ihrer Meinung nach ist es wichtig, dass ihr Kellen die Inseln versteht, und vielleicht hat sie ja recht, denn soweit ich das sehen kann, hat sich bisher niemand von euch durch irgendwelche nennenswerten Einsichten hervorgetan, obwohl ihr bereits vor mehr als zehn Jahren hier angekommen seid …
Also schön. Glut bemängelt, dass ich im Alter zu reizbar geworden bin. Fange ich
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