Die Invasoren von Ganymed
Spiegelbildes in dem gelblichen, von Rissen überzogenen Spiegel des Hotelzimmers.
Er schrie, aber er konnte seinen Schrei nicht hören.
Paul Rivers jedoch konnte ihn hören.
Und ebenso die Bediensteten der Fernsehstation.
Und die Welt, oder vielmehr dieser Bruchteil von ihr, der noch immer dem Fiasko von Gus lauschte.
Der Produzent schnitt die Sendung ab und ließ das einzige laufen, was er gerade zur Verfügung hatte, einen Werbespot für eine bekannte Marke von Marihuanazigaretten, Berkeley Boo mit Filter. »Der kleine Stengel mit der Sonne Kaliforniens…«
Paul sprang hoch und trat an die Seite von Gus, um ihm zu helfen, falls er es konnte; er hatte gesehen, wie der nebelhafte schwarze Wirbel auf Gus zuflog und ihn umfing, um dann so plötzlich wieder zu verschwinden, wie er aufgetaucht war.
Ich möchte wetten, dachte Paul, während er sich an die Wirkungen von Balkanis Illusionsprojektoren auf ihre Benutzer erinnerte, daß dieses Phänomen in gewisser Hinsicht eine Nachwirkung der Höllenwaffe war.
»Wie geht es?« fragte er Gus und legte einen stützenden Arm um die Schultern des untersetzten Mannes.
»Sind Sie ein Arzt?« murmelte Gus und blinzelte benommen mit den Augen.
»Das ist richtig«, sagte Paul, der sich dessen bewußt war, daß Gus ihn kaum sehen konnte. Vermutlich erinnerte er sich in diesem Augenblick auch nicht mehr daran, daß er schon vor der Sendung mit ihm gesprochen hatte. »Überlassen Sie alles mir« sagte er und half Gus aus dem von grellen Scheinwerfern bestrahlten Bereich vor den Kameras heraus – und weg von der von Gus erhofften politischen und militärischen Macht.
Im Foyer warteten Dr. Choate und Ed Newkom. Als er sie sah, fragte Gus mit bebender Stimme: »W-w-wie war ich heute abend?«
Die Wahrheit, dachte Paul, wird ziemlich schmerzhaft sein. Aber du würdest eine Lüge niemals glauben. »Sie waren furchtbar«, sagte Paul zu Gus Swenesgard. »Die Feedback Systeme geben an, daß zum Zeitpunkt, als die Sendung beendet wurde, nur noch eine Handvoll Leute, zumeist aus Ihrer eigenen Zone, zugesehen haben. Obwohl Sie am Anfang die größte Zuhörerschaft hatten, die jemals ein Mensch in der gesamten Geschichte des Fernsehens gehabt hat.«
»Sie verstehen etwas von Psychologie, nicht wahr?« fragte Gus.
»Wenn jemand etwas davon versteht«, sagte Ed Newkom, »dann Paul.«
»Können Sie mir helfen?« fragte Gus und sah Paul flehend an. »Können Sie Reden für mich schreiben, die die Leute dazu bringen, daß sie ihre Meinung ändern und mir zuhören? Können Sie mir sagen, was ich tun muß, um sie zurückzugewinnen?«
Dr. Choate sagte: »Ja, tatsächlich hatten wir vor, Ihnen als Fachleute unsere gemeinsamen Dienste in dieser Hinsicht anzubieten.«
Auch Paul sah Gus nun mit Bewunderung an. Du fällst, erkannte er, aber im nächsten Augenblick raffst du dich wieder hoch, bereit, etwas anderes zu versuchen, bereit, die bittere Pille deiner Fehler zu schlucken. Du wirst niemals aufgeben. Und der Weltverband der Psychiater und Psychoanalytiker wird nur zu gerne bereit sein, die Kontrolle über deine Kampagne zu übernehmen… Er wird dich als Gallionsfigur hochhalten, obwohl du dir natürlich dabei immer einbilden wirst, daß du die Sachen im Griff hast. Wir sind klug genug, dir das anzubieten. Und wir werden die stärkste politische Kraft sein, die in dieser desorgani sierten Zeit des Wiederaufbaus verfügbar ist – vielleicht stark genug, um dich schließlich doch noch zum König zu machen, wenigstens so lange, bis normale demokratische Institutionen wieder tätig werden können.
Gus Swenesgard hatte seine Haltung bereits wiedergewonnen und unterhielt sich erregt mit Dr. Choate, planend, kalkulierend, über die Zukunft mutmaßend, während Dr. Choate und Ed Newkom nickten, beide mit einem professionellen ärztlichen Lächeln, mit dem sicheren Wissen, wo die Macht wirklich lag.
Paul verspürte endlich so etwas wie Bewunderung für Gus, aber dann wandte er sich um und bedachte Dr. Choate mit einem wirklich aufmerksamen Blick, vielleicht zum ersten Mal. Bildete er sich das nur ein, oder war da eine gewisse berechnende Härte in Dr. Choates Augen?
Paul schüttelte sich und zwang sich, das gleiche professionelle Lächeln aufzusetzen, das auf den Gesichtern seiner beiden Kollegen sichtbar war. Und er dachte: Wenn wir uns selbst nicht trauen können, wem können wir dann trauen?
Es schien ihm eine gute Frage zu sein. Aber unglücklicherweise
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