Die Jäger des Lichts (German Edition)
Lächeln. »In der Sonne ist es viel wärmer als in der Kabine.«
Ich erkläre ihm, dass ich die Sonne meiden muss.
»Komm schon, komm«, sagt er und zerrt an mir.
Aber ich reiße meinen Arm zurück. »Ich kann nicht. Ich bin die Sonne nicht gewöhnt. Meine Haut verbrennt schon so. Ich bin nicht so nachgedunkelt wie ihr Hep…« Ich kann mich gerade noch bremsen.
Seine Miene verfinstert sich, bevor er in das grelle Sonnenlicht davonschleicht und mich im kalten Schatten der feuchten Kabine allein lässt.
Im Lauf der nächsten Stunde klart es weiter auf. Das Land vor uns erstreckt sich in satten Farben, das frische Grün der Weiden, das tiefe Blau des Flusses. Den ganzen Nachmittag dringen die Stimmen durch die Ritzen der Kabinenwände. Selbst in der Enge des Bootes scheinen sie mir Tausende von Meilen entfernt.
Die Sonne fällt herein und streut ihre dunstigen Strahlen wie Salzkörner in die offene Wunde meines schlechten Gewissens.
Am späten Nachmittag liegen sie wie Hunde auf dem Deck und saugen dösend die letzten Strahlen der Sonne auf. Ihre Kraft ist erschöpft, ihre Mägen sind leer und knurren noch im Schlaf. Ich habe wieder Dienst am Heck. Ich lausche dem Geräusch der gegen die Holzplanken schwappenden Wellen, ihr rhythmischer, hohler Klang ist seltsam beruhigend. Das sanfte Schaukeln auf den Wellen macht mich schläfrig.
Epap ist wach. Er beugt sich über ein Blatt Papier, vollkommen in eine Zeichnung vertieft. Am Ende siegt meine Neugier, und ich schlendere unbemerkt zu ihm rüber.
Er arbeitet an einer Zeichnung von Sissy. Sie steht auf einem Fels am Rand eines Wasserfalls, den Blick nach vorn gerichtet, den Arm bis zum Horizont ausgestreckt. Der Wasserfall glitzert wie mit Tausenden von Rubinen und Diamanten besetzt. Sie trägt ein ärmelloses Seidenkleid, ihre Brust ist üppiger und ihre Hüfte schmaler als in Wirklichkeit. Auf dem Bild steht jemand hinter ihr, Epap im Muscle-Shirt, seine Arme sind muskelbepackt, und sein Waschbrettbauch leuchtet im Mondlicht. Eine Hand hat er um Sissys Hüfte gelegt, die andere mit gekünstelter Zärtlichkeit auf ihrem rechten Oberschenkel. Sissy greift hinter sich und packt leidenschaftlich in sein dichtes welliges Haar.
»Wow, das nenn ich eine lebhafte Fantasie«, sage ich.
»Wa…!«, ruft er und klappt das Skizzenbuch zu. »Du kleiner Schnüffler!«
»Was ist los?«, murmelt Sissy und blinzelt verschlafen.
»Bleib locker«, sage ich zu Epap. »Wenn du mit deiner,ähm, Zeichnung fertig bist, könntest du mir vielleicht beim Steuern helfen. Die Strömung ist ziemlich stark geworden.«
Ich gehe zum Bug und richte die Steuerstange aus, bis das Boot wieder auf geradem Kurs ist. Epap schimpft laut über irgendwas vor sich hin.
Nach ein paar Minuten ist es nicht Epap, sondern David, der kommt, um mir zu helfen.
Wow , flüstert er stumm, als er den Fluss sieht. »Wir fahren echt schnell.« Er packt die andere Stange.
Epap redet vorn am Bug mit Sissy, die Arme ausgebreitet, um das Gleichgewicht zu wahren. Sie schüttelt den Kopf und weist auf den trotz der durchbrechenden Sonnensäulen nach wie vor verhangenen Himmel. Epap tritt näher auf sie zu und gestikuliert aufgeregt. Sie diskutieren intensiv weiter, doch beim Rauschen des Flusses kann ich kein Wort verstehen. Ich gehe zu ihnen.
»… Fluss«, sagt er zu ihr.
»Worüber redet ihr?«, frage ich, als ich näher komme.
Epap wirft mir einen unfreundlichen Blick zu. »Über gar nichts.«
Ich sehe Sissy an. »Was ist mit dem Fluss?«
»Der Fluss ist nass«, sagt Epap höhnisch. »Und jetzt geh und kümmere dich um deinen eigenen Kram!«
»Ihr überlegt, ob ihr anlegen sollt, oder?«, frage ich Sissy. »Um nach etwas Essbarem zu suchen.«
Sissy antwortet nicht, sondern starrt nur verbissen auf den Fluss.
»Ich kann euch nur sagen, das wäre ein Fehler«, erkläre ich.
»Niemand hat dich um deine Meinung gebeten«, sagt Epap und stellt sich zwischen Sissy und mich.
»Das Boot zu verlassen, wäre ein schwerer Fehler, Sissy«, sage ich und gehe um Epap herum, der ärgerlich die Schultern strafft. »Haben wir aus der vergangenen Nacht nichts gelernt? Dort …«
»Welchen Teil von ›Kümmere dich um deinen eigenen Kram‹ hast du nicht verstanden?«, knurrt Epap. »Mach doch einfach die Leinen fertig. Wir müssen das Boot schließlich sichern, wenn wir angelegt haben.«
»Hast du eigentlich den Verstand verloren? Die wollen uns fressen!«
Epap reißt den Kopf herum, in seinen Augen liegt nackte
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