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Die Jagd nach dem Vampir

Titel: Die Jagd nach dem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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hatte, als er seinen Eintopf mit uns geteilt hatte – braune Regenjacke, blauer Pullover, die braune Cordhose, deren Beine in schwarzen Gummistiefeln mündeten –, und sein Fahrrad lehnte am Wohnmobil. Seine hellen blauen Augen schauten ernst, fast melancholisch, aber als er uns sah, funkelte sogleich der Anflug von Belustigung darin, wie in dem Augenblick, als ich den Hügel hinunter nach Gypsy Hollow gerutscht kam.
    »Was für eine nette Überraschung«, sagte er. »Meine alten Freunde Lori und Kit kommen, um mich zu Hause willkommen zu heißen.« Er lehnte den Stock gegen die Stuhllehne und erhob sich. »Ich hole die Stühle und zwei Becher, dann feiern wir eine Party.«
    Mit dem Sonnenuntergang war die Kühle des Oktobers zurückgekehrt. Es tat gut, am Feuer zu sitzen und den heißen süßen Tee zu trinken, den uns Leo eingeschenkt hatte. Bei dem Wort Party hatte ich mich an den Polizeireport erinnert und mich gefragt, welche Drinks er wohl servieren würde. Doch zu meiner Erleichterung hatte er unsere Becher mit nichts Stärkerem als Tee, Sahne und Zucker gefüllt. Kit musste den gleichen Gedanken gehabt haben, denn ich sah, dass er vorsichtig an seinem Tee roch, bevor er den ersten Schluck nahm.
    »Trinkt aus«, sagte Leo. »Es ist genug für alle da.« Er stocherte mit dem langen Stock im Feuer herum und sah uns freundlich an. »Und, was habt ihr in meiner Abwesenheit so gemacht?«
    »Wir haben uns Sorgen um Sie gemacht«, antwortete ich freiheraus. »Ich möchte mich nicht in Ihre Privatangelegenheiten mischen, Leo, aber wo um alles in der Welt haben Sie in den vergangenen zwei Tagen gesteckt?«
    Leo lachte schallend und klatschte sich auf die Schenkel. »Sie haben eine komische Art, sich nicht in anderer Leute Privatangelegenheiten zu mischen, Lori.«
    »Lori war nicht die Einzige, die sich Sorgen gemacht hat«, kam Kit mir zu Hilfe. »Wir hatten beide Angst, dass Sie einen Unfall gehabt haben könnten. Das Wetter war nicht gerade ideal zum Fahrradfahren.«
    »Das stimmt wohl«, sagte Leo. »Es war noch nicht mal ideal, um in dieser alten Blechbüchse zu kampieren. An trüben Tagen kann es darin ein bisschen deprimierend werden, also habe ich mich auf mein Rad geschwungen und bin zur Oxford Road geradelt. Von dort bin ich per Anhalter in die Stadt gefahren und habe das Wochenende in angenehmerer Umgebung verbracht.« Er deutete mit dem Kinn auf das Fahrrad. »Auf dem Rückweg hat’s mir einen Reifen zerfetzt, so bald werde ich also nicht wieder Rad fahren.«
    Ich fragte mich, was für eine Unterkunft sich jemand wie Leo im teuren Oxford leisten konnte, und sogleich fiel mir St Benedict’s ein, ein Obdachlosenasyl, in dem auch Kit in seiner dunkelsten Zeit untergekommen war. Ich hatte schon des Öfteren ehrenamtlich dort gearbeitet und wusste, dass es sauber, warm und sicher war. Als angenehm hätte ich es trotzdem nicht bezeichnet. Andererseits war ich nicht Leo. Im Vergleich mit der »Blechbüchse«, in der er kampierte, war ihm das St Benedict’s vielleicht wie ein Fünf-Sterne-Hotel vorgekommen.
    »Tut mir leid, wenn ich Ihnen einen Schrecken eingejagt habe«, sagte er. »Ein alter Busch-Ranger wie ich ist es gewohnt, zu kommen und zu gehen, wie es ihm passt. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass Sie mich vermissen würden – aber es rührt mich.«
    »Sie hätten zum Herrenhaus kommen sollen«, sagte Kit. »Die Harris haben einige Zimmer frei.«
    »Freundlich von Ihnen, Kit«, sagte Leo, »aber Ihre Arbeitgeber fänden es sicher nicht so gut, wenn ein Fremder durch ihr Haus streift.«
    »So fremd dürfte Ihnen Anscombe Manor doch auch wieder nicht sein«, sagte Kit bedacht. »Sie haben schließlich einige Zeit in Ihren jungen Jahren dort verbracht.«
    Leo beugte sich vor und stocherte im Feuer. »Sie haben sich über mich erkundigt, Kit?«
    »Nicht mit Absicht«, antwortete Kit. »Ich habe ein paar alte Zeitungen durchgesehen, als ich auf den Namen Leo Sutherland stieß.«
    »Sie haben den Polizeibericht gefunden«, sagte Leo leise und spielte mit dem Stock im Feuer.
    »Ja«, sagte Kit.
    Ein einsamer Regentropfen klatschte von einem überhängenden Ast auf die Plane. In der Ferne bellte Harn, Nells Labrador, ein einziges Mal und verstummte. Leo legte die Ellbogen auf die Knie und hielt den Stock locker in den Händen. Er schaute ins Feuer.
    »Das war das einzige Mal, dass mein Name in der Zeitung stand«, sagte er schließlich. »Dein Vater hat all die anderen Geschichten vertuscht. Er hatte

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