Die Jagd nach dem Vampir
lebt«, sagte ich auf Dimitys Stichwort. »Falls ja, spüren wir ihn auf und erfahren, was in jener Nacht wirklich geschehen ist.«
Bravo! Ehrlich, Lori, ich dachte schon, Du kämst niemals drauf. Normalerweise bist Du nicht so begriffsstutzig, meine Liebe. Im Gegenteil, Du neigst dazu, voreilige Schlüsse zu ziehen. Aber heute scheinst Du nicht ganz bei der Sache. Macht Dir etwas Kummer?
»Ja, tatsächlich. Versteh mich nicht falsch, Dimity, ich will Leo auch helfen. Aber bei aller Aufregung um seine Person scheinen wir Rendor völlig vergessen zu haben.«
Das ist wahr , meine Liebe . Hast Du in Upper Deeping etwas über ihn herausfinden können?
»Nichts«, sagte ich düster. »Aber Leo sagt, dass Charlotte einen älteren Bruder hatte, der in Afrika eine Kinderklinik errichtete. Und dort war er auch in jener Nacht, in der Leo auf Maurice schoss. Zwei Jahre später ist er bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Eine Kinderklinik, Dimity. Warum beschreiben ihn die Pyms dann als einen Mann mit schändlichen Sehnsüchten, die es zu verbergen galt?« Missmutig warf ich die Stirn in Falten. »Leo ist nicht Rendor. Charlottes Bruder ist nicht Rendor. Es gibt keine Gäste auf Aldercot, die als Rendor infrage kämen. Meine Theorien werden schneller über den Haufen geworfen als die Kegel auf einer Kegelbahn.«
Also müssen wir uns erneut fragen – wer ist Rendor?
»Ich bin schon so weit, Bellamy den Butler zu verdächtigen«, sagte ich seufzend. »Aber er ist zu alt. Er würde es nie von Aldercot Hall zum Apfelbaum und wieder zurück schaffen, ohne dass er einen Herzanfall kriegt. Und Henrietta ist das genaue Gegenteil von dünn und blass. Wen habe ich also auf dem Dachboden gehört?«
Vielleicht hast Du eher ein » was « als ein » wen « gehört , meine Liebe .
»Was meinst du?«
Ich meine , dass Du vielleicht Fledermäuse gehört hast . Keine Vampire in Fledermausform , sondern ganz normale , gewöhnliche Fledermäuse . Die Laute , die sie von sich geben , können dem Ächzen eines Dielenbretts durchaus ähneln .
»Dann habe ich mein Ohr gegen die Tür eines Raums voller Fledermäuse gehalten.« Angewidert rümpfte ich die Nase. »Igitt.«
An Fledermäusen ist nichts » igitt «, Lori . Du solltest nicht schlecht von ihnen denken . Fledermäuse sind ausgesprochen nützliche kleine Wesen . Wenn es sie nicht gäbe , könnten wir uns vor Mücken und Moskitos nicht mehr retten .
»Ich werde es mir merken, Dimity«, sagte ich und schüttelte mich. »Aber wenn ich auf dem Dachboden Fledermäuse gehört habe, wen haben Will und Rob auf Emma’s Hill gesehen, wer hat die Fußabdrücke hinterlassen, und wem gehört das Stück Seide?«
Das ist die Frage . Aber gib nicht auf . Wildhüter haben gute Augen . Sie kennen jeden Winkel des Landes . Sie wissen , wer zum Anwesen gehört und wer nicht . Im Laufe ihres Lebens begegnen sie einer Menge Fremder .
»Der alte Wildhüter der DuCarals! Natürlich, er könnte wissen, wer Rendor ist.« Meine Miene hellte sich auf. »Mein Gott, Dimity, ich hoffe, er lebt noch.«
Das hoffe ich auch . Und da es sich anhört , als liege morgen ein weiterer anstrengender Tag unter freiem Himmel vor Dir , schlage ich vor , dass Du jetzt schlafen gehst .
Ich musste nicht lange überredet werden. Ich sagte Dimity und Reginald gute Nacht, stellte das blaue Buch ins Regal, schaltete das Licht aus und ging nach oben.
Während ich mich in mein Kissen kuschelte, dachte ich daran, wie froh Leo sein würde, wenn Kit seine Unschuld bewies, und wie froh ich sein würde, wenn der Wildhüter Rendors wahre Identität enthüllte, und wie froh wir alle sein würden, wenn Bill am Donnerstag zurückkäme, aber der letzte Gedanke, der durch mein Bewusstsein flatterte, war … Fledermäuse? Igitt!
21
AM NÄCHSTEN MORGEN stellten sich erneut der blaue Himmel und die sanfte Brise des Altweibersommers ein. Die Luft war so mild, dass ich Will und Rob die leichte, sommerliche Reitkleidung anzog, bevor ich sie mit Annelise nach Anscombe Manor verabschiedete. Vorsichtshalber legte ich jedoch auch Pullover und Jacken in den Range Rover.
Ich selbst begnügte mich mit einer Lage meiner ansonsten aus mehreren Schichten bestehenden Wanderausrüstung, steckte jedoch die Fleece-Weste zusammen mit der Regenjacke in den Rucksack, denn ich lebte lange genug in England, um zu wissen, dass aus einem Altweibersommer im Handumdrehen ein Altherrenwinter werden konnte.
Als ich den Wagen auf dem Parkplatz von Anscombe
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