Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Jagd nach dem Vampir

Titel: Die Jagd nach dem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
Vom Netzwerk:
blühen die Glockenblumen entlang des Weges.«
    »Würden wir Mr Tanner antreffen, wenn wir jetzt gleich zum Cottage gehen?«, fragte Kit.
    »Oh ja«, sagte Henrietta. »Der alte Rory geht nicht mehr oft aus dem Haus. Wollen Sie ihn besuchen, wenn Sie mir Löcher in den Bauch gefragt haben?«
    »Ja«, sagte Kit.
    »In diesem Fall habe ich was für Sie«, sagte Henrietta.
    Kaum hatte sie sich umgedreht und war in der Küche verschwunden, trommelte Kit nervös mit den Fingern auf dem Bein und sah immer wieder über die Schulter, wie jemand, der Angst hat, seinen Flug zu verpassen.
    »Warum so ungeduldig?«, sagte ich. »Leo kann nirgendwohin. Dafür hast du selbst gesorgt.«
    »Ich weiß nicht, Lori«, entgegnete er, »aber irgendetwas sagt mir, dass wir uns beeilen müssen.«
    Nach etwa fünf Minuten kam Henrietta mit zwei Isoliertaschen von der Größe von Einkaufstüten zurück, die sie Kit reichte.
    »Rorys Mahlzeiten«, erklärte sie. »Für euch beide habe ich auch noch etwas dazugetan.«
    »Danke, Henrietta.« Kit warf sich die Beutel über die Schulter und sprang die Stufen hinauf.
    »Danke«, fügte ich hinzu und lief Kit hinterher.
    Rasch gingen wir die Auffahrt entlang, durch das Tor und die Straße hinunter, bis wir den von Farn gesäumten Pfad sahen, den Henrietta beschrieben hatte. Wir folgten ihm durch das Wäldchen, bis wir eine Lichtung erreichten.
    Das kleine Haus, das dort stand, war ein klassisches Steincottage mit einem Schieferdach, das den zahlreichen anderen Häuschen ähnelte, die in unserer Gegend die gewundenen Straßen säumten. Die Lichtung allerdings war einzigartig. Es wimmelte nur so von Vogelhäuschen, Vogelbadewannen, Futterspendern, Nistvorrichtungen, kleinen Holzstößen, Heuballen und Holzschüsseln mit Körnern, Nüssen, rohem Gemüse und getrockneten Früchten. Inmitten dieser Idylle tummelten sich pelzige kleine Wesen – Eichhörnchen, Kaninchen, Spitzmäuse und natürlich Scharen von zwitschernden Vögeln. Als Kit und ich die Lichtung betraten, stoben sie auseinander, aber während wir auf die Tür des Cottages zugingen, hatte ich das Gefühl, als würden uns Hunderte kleiner Augen beobachten.
    Da Kit keine Hand frei hatte, klopfte ich an die Tür. »Mr Tanner?«
    »Bist du das, Henrietta?«, gab eine zitternde Stimme zurück.
    »Nein, Sir«, antwortete ich lauter, für den Fall, dass der alte Herr schwerhörig war. »Wir bringen das Essen, das Henrietta für Sie zubereitet hat.«
    »Kommt rein. Die Tür ist offen.«
    Kit und ich betraten einen Flur, der das Cottage in zwei Hälften teilte. Ich wollte schon um eine Wegweisung bitten, als uns ein Husten durch eine geschlossene Tür zu unserer Rechten in einen Raum führte, der früher als Wohnzimmer gedient hatte.
    Jetzt war es ein Krankenzimmer. Die gemütlichen Möbel waren so umgestellt worden, dass ein großes Krankenbett Platz gefunden hatte. Das Bett stand neben einem geöffneten Fenster, von dem aus man auf das südliche Ende der Lichtung blickte. Das Kopfteil des Bettes war hochgestellt, sodass der alte Mann aus dem Fenster schauen konnte. Die Wärme des Tages schätzte er sicherlich noch weitaus mehr als ich.
    Auf der tiefen Fensterbank neben dem Bett lagen ein Fernglas und diverse Notizbücher, und in einem Keramikbecher, den das Motiv der königlichen Krönung zierte, drängten sich Bleistifte und Kugelschreiber. Der Nachttisch beherbergte Pillendöschen, Inhaliergeräte, eine Schachtel Papiertaschentücher und schmutziges Geschirr. Der Mülleimer unter dem Tisch quoll über von benutzten Taschentüchern.
    Der Mann, der in dem Bett lag, war so dünn, dass sich seine Beine kaum unter der glatten Bettdecke abzeichneten. Auch wenn das elektrische Feuer im Kamin ordentlich Wärme abgab, trug er eine marineblaue Strickmütze, fingerlose Handschuhe und einen weiten marineblauen Pullover, der lose seinen schwachen Oberkörper umgab. Er hatte eine Adlernase und einen eingefallenen Mund, der auf ein fehlendes Gebiss schließen ließ. In seinen Augen spiegelten sich Schmerz und Erschöpfung. Kits Instinkt hatte ihn nicht getrogen. Es sah so aus – und es hörte sich so an, als hätte der Mann im Bett nicht mehr lange zu leben.
    Der abgehackte Husten, der den zerbrechlichen Körper des Mannes erzittern ließ, tat auch mir weh. Ich holte mein Handy hervor und wollte schon einen Krankenwagen rufen, aber der Mann ahnte, was ich vorhatte, und winkte ab.
    »Keine Ärzte«, krächzte er ungehalten, als er endlich sprechen konnte.

Weitere Kostenlose Bücher