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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes
Autoren: Willis Connie
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Land dazwischen war durchzogen von Hecken, Baumgruppen, Gehölzen und vereinzelt stehenden Bäumen, mehr als es nach ihrem Wissen je in England gegeben hatte. Das Doomsday Book von 1086 hatte nicht mehr als 15 Prozent des Landes als bewaldet angegeben, und die Forschung war davon ausgegangen, daß Waldrodungen und Siedlungen diesen Prozentsatz bis 1300 auf 12 Prozent verringert haben würde. Wie es schien, hatten die Forscher oder schon die Männer, die das Doomsday Book geschrieben hatten, die Waldflächen unterschätzt. Überall gab es Bäume.
    Kivrin konnte keine Dörfer sehen. Die Wälder standen entlaubt, die Zweige reckten sich schwarzgrau in den dämmernden Spätnachmittag, und sie sollte in der Lage sein, Kirchtürme und Häuser zu sehen, aber es war weit und breit nichts zu entdecken, das wie eine Siedlung aussah.
    Dennoch mußte es Siedlungen geben, denn es gab Felder, und es waren schmale Streifenfelder, die entschieden mittelalterlich waren. Auf einigen der abgeernteten Felder weideten Schafe, aber so angestrengt sie auch spähte, ein Hirte war nicht zu entdecken. Fern im Osten war im Dunst ein ungewisser grauer Umriß, der Oxford sein mußte. Wenn sie die Augen zusammenkniff, war sie beinahe imstande, die Mauern und den gedrungenen Carfax-Turm auszumachen, doch konnte sie die Türme von St. Frideswide und Osney im schwindenden Licht nicht sehen.
    Der Abend dämmerte. Der Himmel über ihr war von einem blassen Lavendelblau mit einer Andeutung von Rosa nahe dem westlichen Horizont, und seit sie hier oben stand, hatte die Dämmerung merklich zugenommen.
    Kivrin bekreuzigte sich, dann faltete sie die Hände im Gebet, die zusammengelegten Finger vor dem Gesicht. »Nun, Mr. Dunworthy, ich bin hier und scheine mehr oder weniger am rechten Ort zu sein. Ich bin nicht auf der Landstraße von Oxford nach Bath abgesetzt worden, sondern ungefähr fünfhundert Schritte südlich von ihr auf einer Seitenstraße. Ich kann Oxford sehen. Es liegt nach meiner Schätzung zehn Meilen entfernt.«
    Sie beschrieb ihre Eindrücke von der Jahres- und Tageszeit und schilderte, was sie sah, dann hielt sie inne und drückte das Gesicht gegen die Hände. Sie sollte jetzt zu Protokoll geben, was sie zu tun beabsichtigte, aber sie wußte nicht, was das war. Auf der leicht gewellten Ebene westlich von Oxford sollte es ein Dutzend Dörfer geben, aber sie konnte keines davon sehen, obwohl die bestellten Felder, die zu ihnen gehörten, vorhanden waren, auch die Straße.
    Niemand war auf der Straße. Sie zog sich in einem Bogen auf der anderen Seite des Höhenrückens hinunter und verschwand in einem dichten Gehölz, aber eine halbe Meile weiter verlief die Landstraße, wo sie hätte abgesetzt werden sollen, verhältnismäßig breit und eben und von einem blassen Graugelb. Soweit sie die Straße überblicken konnte, war niemand auf ihr unterwegs.
    Weit zu ihrer Linken und halbwegs über die Ebene gegen Oxford nahm sie eine entfernte Bewegung wahr, aber es war nur eine Reihe von Kühen, die heimwärts zu einer größeren Baumgruppe zogen, unter der sich ein Dorf verstecken mußte. Es konnte aber nicht das Dorf sein, das Mrs. Montoya ihr als Zielort angegeben hatte – Skendgate lag südlich der Landstraße.
    Es sei denn, sie war in einer völlig falschen Gegend, und das war nicht der Fall. Dort im Osten war eindeutig Oxford zu sehen, und südlich davon zog die Themse ihre Schleifen dem bräunlichgrauen Dunst entgegen, der London sein mußte, aber nichts davon verriet ihr, wo das Dorf war. Es mochte zwischen ihrem Standort und der Landstraße sein, verborgen hinter Bäumen und Hecken, oder es lag in der anderen Richtung, an einem anderen Nebenweg. Die Zeit reichte nicht, um sich zu vergewissern.
    Es wurde rasch dunkler. In einer halben Stunde würden vielleicht da und dort Lichter glimmen, an denen sie sich orientieren konnte, aber sie durfte nicht länger warten. Die rosa Tönung am Westhimmel war bereits blaugrau gedunkelt, und über ihr war der Himmel beinahe purpurn. Und es wurde kälter. Ein unangenehmer Wind kam auf und schlug ihr die Falten des Umhanges um die Beine, und sie zog ihn enger um sich. Sie hatte kein Verlangen, eine Dezembernacht mit quälenden Kopfschmerzen und womöglich einem Wolfsrudel im Wald zu verbringen, aber sie mochte ebensowenig draußen auf der Landstraße liegen und warten, daß irgendwer vorbeikäme.
    Sie konnte sich auf den Weg nach Oxford machen, doch war nicht daran zu denken, daß sie mehr als einen
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