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Die Jahre des Schwarzen Todes

Die Jahre des Schwarzen Todes

Titel: Die Jahre des Schwarzen Todes
Autoren: Willis Connie
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sich aufrecht hin, und hinter ihr stob mit wildem Geflatter ein Schwarm kleiner Vögel aus den Sträuchern. Sie hielt still, bis das Geräusch sich entfernt hatte, dann erhob sie sich auf die Knie. Das Geflatter fing wieder an, diesmal in den Baumwipfeln. Sie faltete die Hände, drückte die Handballen zusammen und schloß die Augen, damit der Reisende, der sie finden sollte, wenn er vorbeikäme, den Eindruck gewinnen würde, daß sie betete.
    »Ich bin hier«, sagte sie, dann brach sie ab. Wenn sie meldete, daß sie mitten in einem Wald gelandet war, statt auf der Landstraße von Oxford nach Bath, würde es nur bestätigen, was Mr. Dunworthy dachte, nämlich, daß Mr. Gilchrist nicht gewußt habe, was er tat, und daß sie allein nicht zurechtkommen könne, und dann fiel ihr ein, daß es überhaupt nichts ausmachte, weil niemand ihren Bericht hören würde, bevor sie sicher zurückgekehrt wäre.
    Wenn sie sicher zurückkehrte, was vielleicht nicht der Fall sein würde, wenn sie bei Dunkelwerden noch in diesem Wald wäre. Sie stand auf und blickte umher. Es war entweder Spätnachmittag oder früher Morgen, mehr war hier im Wald nicht zu erkennen, und selbst wenn sie in offenes Gelände käme und den Himmel überblicken könnte, blieb ungewiß, ob sie es am Sonnenstand würde ablesen können. Mr. Dunworthy hatte ihr erzählt, daß manche Leute während ihres gesamten Aufenthaltes in der Vergangenheit hoffnungslos desorientiert blieben. Er hatte ihr geraten, die Schatten zu beobachten, aber um das zu tun, mußte sie die Uhrzeit wissen, und außerdem hatte sie keine Zeit mit Überlegungen zu vergeuden, welche Richtung welche war. Sie mußte den Weg aus diesem Wald finden. Er lag fast ganz im Schatten.
    Von einer Straße oder auch nur einem Pfad war nichts zu sehen. Kivrin umging den Wagen und die umhergestreuten Kisten und Körbe und hielt Ausschau nach einem Durchlaß zwischen den Bäumen. In der Richtung, die sie instinktiv für Westen hielt, schien der Wald etwas lichter, doch als sie in diese Richtung ging, immer wieder zurückblickend, um sicherzugehen, daß sie noch das verwitterte Blau vom Verdeck des Fuhrwerks sehen konnte, war es nur ein Birkengehölz, dessen weiße Stämme die Illusion von Licht und Raum hervorriefen. Sie ging zurück zum Fuhrwerk und versuchte ihr Glück in der entgegengesetzten Richtung, obwohl der Wald dort dunkler aussah.
    Die Landstraße war nur hundert Schritte entfernt. Kivrin überkletterte einen umgestürzten Stamm und arbeitete sich durch ein Weidendickicht und sah sich am Rand der Straße. Eine Landstraße, hatte es geheißen, aber so sah sie nicht aus. Was vor ihr lag, war mehr ein Ziehweg mit ausgewaschenen Spurrinnen. Oder ein Weideweg für Rinder. Dies also waren die Fernstraßen im England des 14. Jahrhunderts, die den Handel förderten und Horizonte erweiterten.
    Die Straße war kaum breit genug für ein Fuhrwerk, obwohl die tief eingeschnittenen Spurrinnen zeigten, daß sie hin und wieder befahren wurde. Hier und dort stand schwarzes Wasser in den Wagenspuren und bildete Pfützen am Wegrand. Der Wind hatte Laub darübergestreut und stellenweise zu knietiefen Haufen zusammengefegt. Auf einigen der Wasserlachen hatte sich dünnes Eis gebildet.
    Kivrin stand in einer Talsenke zwischen zwei sanft abfallenden Höhenzügen. In beiden Richtungen stieg die Straße gleichmäßig an, und in der Richtung, die nach ihrem Gefühl Norden sein mußte, endete der Wald auf halber Höhe. Sie wandte sich um und blickte zurück. Es war möglich, von ihrem Standort das Fuhrwerk zu sehen – einen verwaschenen blauen Fleck –, aber niemand würde ihn sehen, wenn er nicht danach suchte. Zu beiden Seiten schob sich der Wald bis unmittelbar an die Straße heran und machte die Strecke vorzüglich geeignet für Überfälle von Halsabschneidern und Räubern.
    Es war genau der richtige Ort, um ihrer Geschichte Glaubwürdigkeit zu verleihen, aber Reisende würden sie niemals sehen, wenn sie hier vorbeieilten, oder wenn sie den verwaschenen blauen Fleck der Wagenplane bemerkten, würden sie denken, es sei ein Schlupfwinkel von Wegelagerern, und ihre Pferde anspornen.
    Auf einmal kam Kivrin der Gedanke, daß sie sich durch ihr Herumstehen hier im Wald verdächtig machen würde, statt eines unschuldigen jungen Mädchens, das kurz zuvor niedergeschlagen und beraubt worden war, selbst eine von den Halsabschneidern zu sein.
    Sie trat auf die Straße und hielt sich mit einer Hand die Schläfe. »O ir friunt, ic
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