Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Jangada

Die Jangada

Titel: Die Jangada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
seinen Ohren klingen.
    Voller Wuth warf Torres einige Steine nach ihm, die Jenen zwar erreichten, aber bei der weiten Entfernung nicht viel schadeten.
    Zu einem Entschlusse mußte er gleichwohl kommen. Einerseits erschien es sinnlos, dem Affen mit so wenig Aussicht auf Erfolg noch weiter nachzulaufen; andererseits brachte es ihn in Harnisch, sich diesem unseligen Zufall, der alle seine Luftschlösser zerstörte, endgiltig zu fügen und nicht allein geschlagen, sondern von einem so albernen Thiere betrogen, überlistet zu sein.
    Und doch mußte Torres sich sagen, daß der Dieb mit Einbruch der Nacht ohne Schwierigkeit für immer verschwinden werde, und er, der Bestohlene, würde noch obendrein die größte Mühe haben, aus diesem dichten Walde nur seinen Weg wieder zu finden. Die Verfolgung hatte ihn mehrere Meilen vom Ufer des Stromes hinweggeführt, und er konnte schon jetzt in Verlegenheit kommen, sich auf dem Wege dahin nicht zu verirren.
    Torres zauderte; er versuchte seine Gedanken mit Ruhe zu sammeln, und nach einem letzten kräftigen Fluche wollte er schon jede Hoffnung auf die Wiedererlangung seines Etuis aufgeben, als er, mehr gegen seinen Willen, für das Document, von dem er einen so ausgedehnten Gebrauch zu machen gedachte, sich doch zu einer letzten Anstrengung aufraffte.
    Er sprang also in die Höhe.
    Der Guariba folgte seinem Beispiele.
    Er that einige Schritte vorwärts.
    Der Affe machte ebenso viele rückwärts; diesesmal aber hielt er, statt noch tiefer in den Wald zu fliehen, am Fuße einer gewaltigen Ficus an, welcher Baum im ganzen Becken des oberen Amazonenstromes überall in den verschiedensten Arten auftritt.
    Sich mit den vier Händen an den Stamm zu klammern, mit der Geschicklichkeit eines Clown daran emporzuklettern, mit dem Greiferschwanze einen starken, vierzig Fuß über dem Erdboden horizontal ausgestreckten Ast zu erfassen und sich von da aus nach den höchsten Zweigen des riesigen Baumes, die sich unter der Last herabneigten, zu schwingen, war für den gewandten Guariba ein Spiel und das Werk weniger Augenblicke.
    Hier richtete er sich nach Bequemlichkeit ein und setzte seine unterbrochene Mahlzeit fort, indem er von den Früchten pflückte, die er erreichen konnte. Torres hätte gewiß auch gern etwas gegessen und getrunken, das verbot sich aber von selbst, denn seine Tasche war mager und seine Kürbisflasche leer.
    Statt nun jedoch zurückzukehren, begab er sich nach dem Baume, obgleich der Affe auf diesem vor ihm noch sicherer war, als vorher. Er konnte natürlich gar nicht daran denken, auch in die Höhe klettern zu wollen, denn sein Dieb hätte die Ficus einfach verlassen und sich nach einer anderen hinübergeschwungen.
    Und immer klapperte er mit dem Etui vor seinen Ohren!
    In seiner sinnlosen Wuth begann Torres nun auf den Guariba zu schimpfen. Die Titel, die er im anhing, sind gar nicht wiederzugeben. Er ging dabei so weit, Jenen nicht nur einen »Mestizen« zu nennen, was aus dem Munde eines Brasilianers weißer Race schon als grobe Beleidigung gilt, nein, er schimpfte ihn sogar »Curiboca«, das bedeutet einen Mischling von einem Neger und einer Indianerin. Unter allen Insulten, welche ein Mensch dem anderen anthun kann, giebt es aber keinen schlimmeren unter jenen äquatorialen Breiten.
    Der Affe freilich als einfacher Vierhänder bekümmerte sich nicht im mindesten um alle die Schimpfworte, welche einen Menschen empört hätten.
    Torres begann nun auf’s Neue, mit Steinen, Wurzeln und Allem, was ihm in die Hand kam, zu werfen. Er bildete sich gewiß kaum ein, den Affen damit ernstlich etwas anhaben zu können, sondern er wußte einfach nicht mehr, was er that. Die Wuth über seine Ohnmacht dem Thiere gegenüber raubte ihm eben alle Besinnung. Vielleicht hoffte er einen Augenblick, daß der Guariba, wenn er sich von einem Aste zum anderen schwang, das Etui verlieren könne, wenn er es, um gegen seinen Angreifer nicht zurückzubleiben, ihm nicht etwa gar an den Kopf warf. Vergebens! Der Affe bemühte sich sorgsam, das Etui festzuhalten, blieben ihm doch, wenn er es auch mit der einen Hand umspannte, noch drei für allerlei Bewegungen frei.
    Voller Verzweiflung wollte Torres schon den ungleichen Wettkampf aufgeben und nach dem Amazonenstrome zurückkehren, als sich ein unerwartetes Geräusch vernehmen ließ, das offenbar von menschlichen Stimmen herrührte.
    Etwa zwanzig Schritte von der Stelle, wo der Waldkapitän sich befand, wurde gesprochen.
    Torres’ erste Sorge war,

Weitere Kostenlose Bücher