Die Juden von Zirndorf
Tochter bedecken, wollte sie mit seinem Mantel umhüllen; aber jauchzend, mit halbgeöffneten Lippen lief die schwarze Noemi davon, warf sich in die Arme ihrer Freundin, der Schwester des Schulklopfers, und die beiden Mädchen küßten sich, warfen sich zu Boden und drückten ihre fieberheißen Körper aneinander.
Ein Haus weiter lag der Maier Lambden mit seiner Familie auf den Dielen; denn sie schliefen nicht mehr in Betten. Bei Tage hüllten sie sich in Tücher von grobem Stoff und hörten nicht auf, zu beten. Es gab Männer, die sich des Schlafes gänzlich enthielten und sich Tag und Nacht mit dem Studium des Gesetzes befaßten, denn durch die Tikkunim in der Mitternachtsstunde wurden die Sünden verwischt. Maier Wolf, genannt der Fünkler, und sein Bruder Samuel Fünkler gingen des Morgens bei dem kühlen Herbstwetter hinaus und badeten im Fluß, um ihren Leib zu reinigen. So stieg und stieg die Erregung der Gemüter, und es war bald ein gewöhnlicher Anblick, wenn einer nackend durch die Gassen taumelte und sich geißelte, bis sein Körper über und über mit Blut bedeckt war.
Als am Freitag Serapion die Glocke die zehnte Abendstunde schlug, kam die Familie des schönen Joseph auf dem Lilienplatz zusammen und vier junge Männer trugen den Grabstein vom Schwedendenkmal hinweg. Es war eine Menge Menschen dabei: Frauen und Kinder, die sich mit farbigen Tüchern geschmückt hatten und Freudengebete sangen. Auch viele Männer hatten sich eingefunden. Im langsamen, schmalen Zug schritten sie dem Gottesacker zu, an der Spitze die vier mit dem Stein, der mit goldbestickter Samtschärpe umwunden war. Der Mond lugte über das Dach der Michaeliskirche und es war, als müsse man überall erst die feinen Nebel zerreißen, bevor man hineingehen konnte in die blaue Nacht. Über dem Fluß, weit hinunter bis an ferne Waldgrenzen lag der Dunst gleich einem weißen Gewölbe oder wie die lange Säulenhalle eines Schlosses. Rote, dumpfe Flecken, wachte dort und da ein rätselhaftes Licht. Das Wasser rauschte und nichts Bewegtes war zu sehen, außer den lichten, fast blendenden Wolken am Himmel und dem jüdischen Zug an der Straße.
Da sie sich den Mauern des Bes Chajim näherten, kam aus dem weitgeöffneten Tor ein Weib mit aufgelösten Haaren gelaufen und stammelte, oft unterbrochen durch staunende, erschreckte Ausrufe der Zuhörer, ein Geist schwebe über die Gräber und singe wunderbare Weisen und rufe: Messias, o Messias, o Sabbatai, Stern der Höhe! Alle blickten angestrengt hinüber. Der Gräberort lag ausgebreitet an einer Hügelsenkung und die zahllosen Grabsteine gaben ihm ein phantastisch zerklüftetes Aussehen. Darüber hinaus die nebelschimmernde Ebene, baumlos, häuserlos, einem Meer ähnlich, darin einsame Dörfer wie Toteninseln lagen.
Die Juden bemerkten nichts von dem gemeldeten Geist, überwanden ihre natürliche Furchtsamkeit und schritten ängstlich und zaudernd durch das Tor. Vorsichtig zogen sie den breiten Hauptweg entlang, immer spähend, zum Grab des schönen Joseph. Am mutigsten waren die Knaben; sie sangen ein Lied vom Stolze Zions, und ihre köstlichen frischen Stimmen erfüllten weithin die Nacht.
Das Grab lag an der westlichen Mauer, die hart an den Schindanger der Christen stieß, und wo auch die verurteilten Verbrecher hingerichtet wurden. Deutlich war die alte Veste mit ihrem düsteren Wald sichtbar und ein flötender Hornruf klang herein. Der Totengräber kam und Obadia Änsel Steinblaser trat als Vorbeter heraus, um die im Schulchan Aruch vorgeschriebenen Gebete zu sagen. Aber er fing nicht an; Minuten vergingen und weil die hinten Stehenden sein Gesicht nicht sehen konnten, drängten sie sich gierig vor. Einige verwünschten schon die Furcht vor den Christen, die sie veranlaßt hatte, die Zeremonie zur Nachtzeit vorzunehmen, und viele Weiber schlossen die Augen, um nichts sehen zu müssen. Als aber Obadia Änsel noch immer keinen Laut von sich gab, näherten sie sich ihm so dicht sie konnten, und nun sahen sie, daß er mit aufgerissenen Augen und leichenfahlem Gesicht beständig nach einem Punkt starrte. Sie folgten seinem Blick und sahen eine weibliche Gestalt bei einem Weidenbusch mitten unter den Steinen stehen. Die Stille tödlichen Schreckens entstand, als ob alle auf einmal zu atmen aufgehört hätten; leise und eindringlich erscholl eine Mädchenstimme von dorther, eine Melodie in einem fremden Rhythmus und einer fremden Sprache. Der Totengräber und der Rabbi Seligman in der Clauß
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