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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Gier des Volkes von Toledo, die Niederlage von Alarcos an den Schuldigen zu rächen. Nur wenige konnten sich dem heilig wilden Eifer entziehen, dessen die Luft voll war. Wo sich Juden außerhalb der festen Mauern der Judería sehen ließen, wurden sie mißhandelt; mehrere wurden erschlagen. Auch von den christlichen Arabern wurden einige übel zugerichtet. Strengere Schutzmaßnahmen waren geboten.
    Die Königin berief Don Gutierre de Castro.
    Sie habe Bedenken, eröffnete sie ihm süß und tückisch, die Sicherheit der vielen Bedrohten weiter kastilischen Offizieren anzuvertrauen; diese seien gereizt durch den Verlust von Brüdern und Söhnen und nicht geneigt, Menschen zu verteidigen, welche das Volk, zu Unrecht, für schuldig an dem Unglück halte. Es sei deshalb ein Aragonier wohl besser geeignet, Unruhen in der Stadt zu verhüten. »Tu du mir den Dienst, Don Gutierre!« verlangte sie. Sie schaute ihm mit den grünen Augen voll ins Gesicht und nestelte an ihrem Handschuh. »Ich weiß«, fuhr sie fort, »es ist keine leichte Aufgabe, und vielleicht wird es nicht möglich sein, unter den vielen Tausenden einen jeden zu schützen. Ich kann mir Fälle vorstellen, da man besser einen einzelnen preisgibt im Interesse der vielen Tausende.«
    Der Castro dachte nach. Dann, auf seine langsame Art, antwortete er: »Ich glaube, ich verstehe dich, Dame. Ich willmein Bestes tun, mich deines Vertrauens würdig zu zeigen.« Er neigte sich tief und ehrerbietig und nahm, zärtlich geradezu, den Handschuh.
    Kaum hatte der Castro die Königin verlassen, als ihr der Domherr gemeldet wurde. Jener wilde Unmut, der Don Rodrigue schon einmal zu ihr getrieben hatte, war nicht von ihm gewichen. Er sah mit Zorn und Schmerz, wie hilflos er war vor der wüsten Tollheit, welche die Stadt durchbrannte. Er mußte Doña Leonor von neuem mahnen und treiben.
    In dringlichen Worten forderte er sie auf, die Unschuldigen zu schützen. Sie, mit fürstlich liebenswürdigem Vorwurf, erwiderte: »Glaubst du wirklich, mein sehr verehrter Vater und Freund, Gott habe eine so Unfähige auf den Thron von Kastilien gesetzt, daß sie einer solchen Mahnung bedarf? Was geschehen konnte, ist geschehen. Ich habe von der Aljama keinen einzigen Mann für die Stadtmauern verlangt, so daß die Juden ihre ganze starke Schutztruppe zur eigenen Verteidigung verwenden können. Im übrigen habe ich zu guter Vorsicht den Schutz aller Bedrohten den Aragoniern anvertraut, damit nicht etwa ein kastilischer Ritter mild und langsam gegen die Unruhestifter vorgehe. Hab ich dir’s recht gemacht, Don Rodrigue?«
    Der Domherr wußte, daß sich der Zorn der Leute von Toledo vor allem gegen Don Jehuda richtete, und er hätte gern auch nach ihm gefragt. Am liebsten wäre er ins Castillo gegangen und nicht nur aus Freundschaft für Jehuda; immer heißer verlangte es ihn, mit dem weisen Musa die wüsten Dinge zu bereden, die sich ringsum ereigneten. Aber hatte er nicht zur Kasteiung für jene Menschlichkeit, die ihm in dieser Zeit untersagt war, sich’s auferlegt, das Castillo zu meiden? Und wenn er sich jetzt um Jehuda Sorgen machte, war dies nicht vielleicht nur ein Vorwand, ins Castillo zu gehen? Wenn einer, dann war der weltkundige Don Jehuda Manns genug, sich selber zu schützen. Überdies war es undenkbar, daß sich ein Kastilier vergreifen sollte an Leib und Habe eines Kronrats des Königs. Vor den fürstlichen, etwas spöttischenAugen Doña Leonors schien es ihm doppelt lächerlich, Angst um den Escrivano zu bezeigen. Er dankte der Königin für ihre Umsicht und ging.
    Don Gutierre de Castro, sich seines Auftrages wachsam und genau befleißend, vergewisserte sich zunächst, wie es um die christlichen Araber stand. Sie lebten in ihren gesonderten Quartieren um ihre drei Kirchen herum, zumeist kleine Leute. Es konnte die Menge kaum reizen, sich mit ihnen abzugeben, man hatte denn auch von ihnen abgelassen. Immerhin, ihre Mauern und Tore waren schwach, der Castro legte zwei Fähnlein in ihre Quartiere. Sodann überzeugte er sich von der Festigkeit der Mauern und Tore der Judería. Sie waren fest, ungeordnete Massen konnten sich hier schwerlich Eingang erzwingen. Trotzdem fragte der Castro den Párnas, ob er ihm welche von seinen Bewaffneten abgeben solle; Don Ephraim lehnte höflich dankend ab.
    Die Judenviertel vor dem Tor waren geräumt, nur ein paar Alte und Kinder waren geblieben. In vielen der leeren Häuser hatten sich christliche Flüchtlinge einquartiert. Die Häuser, aus

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