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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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denen es etwas zu holen gab, waren geplündert. In der Synagoge war alles kurz und klein geschlagen. Auf dem Almemor, der Estrade, von der am Sabbat die Heilige Schrift verlesen wurde, hatte ein Spaßvogel eine Puppe aufgestellt, die Spottfigur eines alten Juden; der Castro lachte herzlich.
    Gab es hier wenig für ihn zu tun, so schien ihm der übernommene Auftrag verfänglicher, wenn er vor dem Castillo stand.
    Er stand dort oft. Viele standen oft dort. Da sie in die Judería nicht hineinkonnten und es nicht der Mühe wert war, über die paar kläglichen Verdächtigen außerhalb der Mauern herzufallen, lockte es die Leute von Toledo immer stärker, ihren heiligen kastilischen Zorn an dem üppigen Haus und seinen märchenhaften Schätzen auszulassen. Man mußte das frech glänzende Castillo in Trümmer schlagen. Man mußte den Betrüger und Verräter, der, eine schwarze Spinne, darinsaß, fangen und zertreten, mitsamt seiner Tochter, der Hexe, die den König behext hatte. Das war ein gottgefälliges Werk und die rechte Labe für Herz und Gemüt in diesen trübseligen Zeiten. Der Castro fand also, wann immer er an dem Haus vorbeikam, Haufen Volkes, die gierig und gelockt die Mauern anstarrten.
    Langsam und plump wälzten sich in dem Castro die Gedanken. War der Jud frech genug und wohnte noch in dem Haus? Der Jud war ein Feigling, aber eingebildet auf seine Stellung und ein Prahler, es konnte sehr wohl möglich sein, daß er noch da war. Das Haus gehörte ihm, dem Castro, es war das Castillo de Castro, seine Väter hatten es erobert vor hundert Jahren, von den Moslems. Es war nach wie vor sein, des Castro, Haus, das hatte auch Doña Leonor gesagt. Wenn erst der Krieg recht im Gang sei, hatte sie gesagt, dann werde man den Juden hinauswerfen. Mehr im Gang sein als jetzt konnte der Krieg schwerlich, und wenn die Schlacht verloren worden war, dann durch die Übeltaten des Juden, und es war unerträglich, daß sich dieser weiter frech in dem Castillo spreizte. Alle andern Juden, viele Tausende, waren bedroht wegen dieses einen Lumpen und Erzverräters. Nicht als ob es schad um sie gewesen wäre, aber er hatte nun einmal den Auftrag übernommen, sie zu retten, und Doña Leonor hatte ihm ausdrücklich befohlen, lieber einen einzelnen preiszugeben, als die Tausende zu gefährden.
    Wenn der Castro an dem Haus vorbeikam, verzog er wie die andern und wartete. Sie warteten, alle, warteten bedrohlich. Keiner wollte der erste sein, Hand zu legen an das Haus des mächtigen Escrivanos.
    Immer öfter kam der Castro an dem Haus vorbei. Das Haus zog ihn. Er sah stets das gleiche: sie standen vor dem Haus, murrten dumpf, warteten.
    Einmal aber hörte er schon von der Ferne helles, wüstes Geschrei. Er beeilte sich. Und siehe da, mehrere, ziemlich viele, schlugen gegen das riesige Tor. Auch mit dem mächtigen Klöppel schlugen sie gegen das Eisen, daß es ungestüm undherrisch durch das Geschrei klang. Doch kein Pförtner zeigte sich. Schließlich stieg einer auf die Schulter eines andern und kletterte die Mauer hinauf. Rasch, unter dem Jubel der vielen, war er oben. Er verschwand im Innern. Und da öffnete sich schon der Ausschnitt des Tores, in ihm erschien das lachende, triumphierende Gesicht des Eindringlings, und mit scherzhafter, höflicher Gebärde lud er die andern, einzutreten.
    Der Castro stand und überlegte. Er hatte ein paar seiner Leute mit sich, er hätte ohne viel Mühe das Tor verteidigen und es halten können, bis Verstärkung herbeigerufen war. Aber lautete nicht sein Auftrag, den einen preiszugeben und die vielen zu retten? Er stand und tat nichts, und immer mehr drangen durch den kleinen Ausschnitt des Tores ins Innere.
    Schließlich folgte er selber. Die Schreier waren still geworden, nun sie im ersten Hofe standen. Kein Mensch von den Inwohnern zeigte sich, keiner von den vielen Dienern, Schreibern, Hausbeamten. Das Volk schob sich verlegen die Wände entlang, öffnete zögernd ein zweites Tor, das ins Innere führte. Staunend, betreten, dümmlich lachend standen sie inmitten der schweigenden Pracht. Schoben sich weiter. Stießen versehentlich eine Vase um, eine zweite. Sie zerbrach. Einer nahm einen Pokal aus einer Nische, ein kunstvolles Glas, schmiß es zu Boden; es zerbrach nicht auf dem dicken Stoffbelag. Der Mensch, zornig jetzt, riß den Belag zurück, Steinboden zeigte sich, er schmetterte das Glas auf den Stein, es zersplitterte mit Lärm.
    Ein erschreckter Diener kam zum Vorschein, ein Moslem. Er wollte

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