Die Juedin von Toledo
scherzhaft, »wenn einem ein mächtiger König so viel Geld schuldet?«
Don Jehuda blieb wortkarg. Er hatte den Zorn über den Hochmut und das Mißtrauen des Königs nicht überwunden. Wohl hatte er gewußt, daß hier im barbarischen Norden nur der Krieger galt und daß man von den Männern, die für den Wohlstand des Landes sorgten, mit dummer Geringschätzung sprach; aber er hatte nicht geglaubt, daß man es ihm so schwer machen werde, sich einzufügen.
Don Manrique hatte ihn wohl erraten, und als wollte er des Königs Plumpheit entschuldigen, meinte er, man dürfe es dem jungen, streitbaren Monarchen nicht verübeln, wenn er Schwierigkeiten lieber mit dem Schwert zerhauen als durch Vertrag lösen wolle. Don Alfonso sei eben seit frühester Kindheit von einem Kriegslager ins andere gezogen und fühle sich im Felde mehr zu Haus als am Verhandlungstisch. Aber, unterbrach sich Don Manrique, er sei nicht gekommen, um über Geschäfte zu reden, sondern um den Kollegen hier in Toledo zu begrüßen, und er bat Don Jehuda, ihm und seinem Sohne das Haus zu zeigen, von dessen Wundern die ganze Stadt spreche.
Jehuda willfahrte gerne. Vorbei an stillen, tief sich neigenden Dienern gingen sie durch die teppichbelegten Räume, über Korridore und Treppen. Don Manrique lobte kennerhaft, Don Garcerán naiv und bewundernd.
Im Garten trafen sie Don Jehudas Kinder. »Dies ist Don Manrique de Lara«, stellte Jehuda vor, »der Erste Rat des Königs Unseres Herrn, und sein geehrter Sohn, der Ritter DonGarcerán.« Raquel musterte die Gäste mit kindlicher Neugier. Unverlegen nahm sie teil an der Unterhaltung. Doch ihr Latein erwies sich, wiewohl sie eifrig gelernt hatte, als noch lückenhaft, und lachend über ihre Fehler, bat sie die Herren, arabisch zu sprechen. Es wurde ein munteres Gespräch. Die beiden Gäste priesen Doña Raquels Witz und Anmut in den modischen Redewendungen, die arabisch doppelt umständlich klangen, Doña Raquel lachte, die Gäste lachten mit.
Der vierzehnjährige Alazar, nicht blöde, fragte Don Garcerán nach Pferden und ritterlichen Übungen. Der junge Herr konnte sich der frischen, lebendigen Art des Knaben nicht entziehen und gab beflissene Antworten. Don Manrique riet freundschaftlich, Jehuda möge den Knaben einem großen Hause als Pagen anvertrauen. Don Jehuda erwiderte, daran habe er selber schon gedacht; er verschwieg seine stille Hoffnung, daß der König den Knaben in Dienst nehmen werde.
Andere Granden, vor allem Freunde des Hauses de Lara, taten es Don Manrique nach und machten dem neuen Escrivano Mayor ihre Aufwartung.
Vor allem die jüngeren Herren kamen gerne. Sie suchten die Gesellschaft Doña Raquels. Die Töchter des Adels nämlich zeigten sich nur bei großen Festlichkeiten des Hofes und der Kirche, man sah sie nie allein, man konnte mit ihnen nur allgemein leere Konversation machen. Da war es eine angenehme Abwechslung, sich mit der Tochter des jüdischen Ministers zu unterhalten, die, von weniger Zeremoniell behütet, doch gewissermaßen eine Dame war. Sie sagten ihr langatmig übertriebene Galanterien, wie die Courtoisie es verlangte. Raquel hörte freundlich zu und fand das verliebte Gerede eher lächerlich. Manchmal aber ahnte sie, daß sich dahinter Derbheit und Gier verbargen; dann wurde sie scheu und zugesperrt.
Der Umgang mit den christlichen Rittern war ihr schon deshalb willkommen, weil sie im Gespräch mit ihnen die Landessprache übte, das formelle Latein des Hofes und der Gesellschaft und das niedrige Latein des Alltags, das Kastilische.
Auch waren ihr die Herren dienstwillige Führer, wenn sie auszog, die Stadt zu erkunden.
Da saß sie denn in der Sänfte, zur einen Seite ritt ein Don Garcerán de Lara oder ein Don Estéban Illán, zur andern Seite ihr Bruder Don Alazar. In einer zweiten Sänfte folgte die Amme Sa’ad. Läufer machten dem Zuge Platz, schwarze Diener beschlossen ihn. So ging es durch die Stadt Toledo.
Die Stadt hatte in den hundert Jahren, da sie sich in Händen der Christen befand, manches von der Größe und der Pracht ihrer islamischen Zeit eingebüßt; sie war nicht so groß wie Sevilla, aber noch immer wohnten in ihr und um sie weit über hunderttausend Menschen, wohl an die zweihunderttausend, und so war Toledo die größte Stadt des christlichen Spaniens, auch größer als Paris und sehr viel größer als London.
In dieser kriegerischen Zeit waren alle großen Städte Festungen, sogar das heitere Sevilla. In Toledo aber war jedes einzelne
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