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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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rief. Aber sie trachtete, nicht zu vergessen, sie las weiter arabisch und übte sich in der zierlichen, schwierigen arabischen Kalligraphie. Auch hielt sie, obgleich sie sich als Jüdin fühlte, die moslemischen Bräuche weiter, nahm die vorgeschriebenen Waschungen vor und sprach die Gebete. Der Vater ließ es geschehen.
    Die ständige Gesellschaft der Amme Sa’ad erleichterte esihr, das Vergangene festzuhalten. Des Abends, wenn ihr die Amme beim Auskleiden half, schwatzten sie über das, was sie gesehen hatten, und verglichen es mit dem Leben in Sevilla. »Laß dich nicht zu weit mit den Ungläubigen ein, Rechja, mein Lämmchen«, mahnte da wohl die Amme. »Sie werden alle in der Hölle brennen, weil sie schamlos sind, und sie wissen es, und darum sind sie um so hochmütiger auf dieser Erde. Ihre Sultanin ist eine besonders Hochmütige. Sie lebt, diese Ungläubige, die meiste Zeit fern vom Harem ihres Gemahls, des Sultans Alfonso, in einer nördlichen Stadt, von der sie erzählen, sie ist so kalt und stolz wie sie selber.«
    Hochmütig waren sie wohl, die Ungläubigen, damit hatte die Amme recht. Doña Raquel hatte den König noch nie zu Gesicht bekommen. Und sogar der Vater, der doch einer seiner Räte war, schien ihn nur selten zu sehen.
    Von seinem Intendanten und Sekretär Ibn Omar, der einen guten Informationsdienst eingerichtet hatte, erfuhr Don Jehuda, wie heftig die großen Herren des Reiches ihn anfeindeten. Sie hatten, seitdem der kluge Ibn Schoschan tot war, ihre Privilegien vermehrt, nach der Niederlage des Königs hatten sie sich weitere Sonderrechte angeeignet. Sie waren empört, daß nun ein neuer Hebräer kam, noch schlauer und habgieriger als der frühere, ihnen alles wieder wegzunehmen. Sie schimpften, zettelten, intrigierten. Jehuda hörte den Bericht unbewegten Gesichtes. Er wies seinen Ibn Omar an, er solle verbreiten, der neue Escrivano verteidige das unterdrückte Volk gegen die räuberischen Barone und suche den Wohlstand der Bürger und Bauern zu fördern.
    Führer des Widerstandes gegen Don Jehuda war der Erzbischof von Toledo, der kriegerische Don Martín de Cardona, ein naher Freund des Königs. Seitdem die Christen das Land wieder erobert hatten, führte die Kirche einen erbitterten Kampf gegen die jüdischen Gemeinden. Die Juden entrichteten nicht, wie die übrige Bevölkerung, ihren Zehnten der Kirche, sie führten ihre Steuern unmittelbar an den Königab. Kein päpstliches Edikt, kein Beschluß des Kardinalkollegiums hatte daran etwas geändert. Erzbischof Don Martín war ergrimmt, daß die Bestallung des schlauen Ibn Esra die Juden noch verstockter machte in ihrem frevelhaften Bestreben, sich der Kirche zu entziehen. Er arbeitete mit allen Mitteln gegen den neuen Escrivano.
    Um so seltsamer war es, daß sich, und zwar offenbar in freundlicher Absicht, schon bald nach Don Jehudas Ankunft der Sekretär des Erzbischofs, der Domherr Don Rodrigue, im Castillo Ibn Esra einstellte, der Beichtvater des Königs.
    Der stille, höfliche Herr hatte hohes Interesse an Büchern. Er sprach, las und schrieb lateinisch und arabisch, er las auch hebräisch. Er verstand sich gut mit Jehuda, noch besser mit Jehudas weisem Freunde Musa Ibn Da’ud.
    Musas Räume waren behaglich eingerichtet. Der alte Herr hatte zweimal in Not und Verbannung gehen müssen und hatte bewiesen, daß er Elend ohne Klagen ertragen konnte. Gerade darum liebte er Bequemlichkeit. Nicht ohne einen kleinen, gemütlichen Stolz zeigte er dem Domherrn die vielen Röhren der sorgfältigen Heizeinrichtung und den Filzbelag der Mauern, der durch ein ausgeklügeltes System berieselt werden konnte und angenehme Kühlung für heiße Tage verbürgte. Die zahlreichen Bücher Musas waren handlich untergebracht, sein großes, geliebtes Schreibpult stand wohlbelichtet. Und eine schöne Rundhalle, geeignet für ruhige Betrachtung, öffnete sich in den Garten.
    Der wißbegierige Domherr konnte sich an Jehudas und Musas Bibliothek nicht satt sehen. Er bewunderte die Vielfalt der Bücher, die sich über alle Wissensgebiete verbreiteten, ihre zierliche Kalligraphie, ihre Initialen und bunten Randleisten, die schön gearbeiteten und geschmückten Hülsen der Buchrollen und die eleganten und gleichwohl festen Einbände der gebundenen Bücher. Vor allem aber bestaunte er den Stoff, auf den die meisten dieser Bücher geschrieben waren, es war jener Stoff, den die Christenheit kaum kannte: Papier.
    Ach, sie, die Gelehrten der christlichen Reiche, mußten

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