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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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zuletzt doch Sinn gewesen in all dem Übel und Unheil. Und nun war die erste Prüfung da, und Alfonso versagte.
    Rodrigue war nicht gewillt, dieses Versagen ohne Kampf hinzunehmen. War nicht – hielt er dem König entgegen – der ganze moslemische Süden unversehrt und in Blüte? Waren die Heere des Kalifen nicht auch jetzt den Christen an Zahl um ein Vielfaches überlegen? Wenn Kastilien, als es noch in voller Kraft stand, so schwer geschlagen worden war, wie sollte es jetzt, grausam geschwächt, erfolgreich angreifen können? »Schlage keine zweite Schlacht vor Alarcos!« warnte er. »Danke Gott in Demut für deine Rettung. Offenbar ist der Kalif zu Verhandlungen bereit. Schließ Frieden zu jeder annehmbaren Bedingung!«
    In seinem Innersten hatte Alfonso von Anfang an gewußt, daß dieser Weg der einzig richtige war. Sowie indes Rodrigue das Wort Alarcos aussprach, bäumte sich der alte Stolz des Königs auf. Er soll die Flügel hängenlassen in dem guten Wind, den Gott ihm so unverhofft gesandt hatte! Er soll seine innere Stimme schweigen heißen, die ihm zurief: Greif an, greif an!
    Leichthin, mit dem alten Übermut, freundlich überlegen, antwortete er: »Jetzt, mein Vater und Freund, spricht aus dirder Priester und Heilige, vor dessen Rat Don Martín mich gewarnt hat. Du mahnst mich an Alarcos. Doch dieses Mal liegen die Dinge sehr anders. Der Kalif ist im Rückzug, und es ist alte, gute Feldherrnregel, nachzustoßen, wenn der Feind im Weichen ist. Gewiß, die Moslems haben nach wie vor die Übermacht, und es erfordert Mut, sie anzugreifen. Aber willst du mir’s verwehren, mutig zu sein?!«
    Vultu vivax. Rodrigue sah schmerzhaft und empört durch das Antlitz Alfonsos das Gesicht des unbändigen Bertran. »Bist du blind?« rief er Alfonso an. »Waren dir die Zeichen Gottes nicht deutlich genug? Willst du seine Langmut ein zweites Mal auf die Probe stellen?«
    Alfonso, immer mit der gleichen, lächelnden Sicherheit, sagte: »Du mußt es dem König von Kastilien zugute halten, daß er die Zeichen anders deutet als du. Ich war vermessen, als ich mich vor Alarcos schlug, ich geb dir’s zu, ich habe Züchtigung verdient, und Gott hat mich gezüchtigt. Er hat die bittere Niederlage über mich verhängt, er hat mir die Reiter der Apokalypse geschickt, und das war gerechte Strafe, ich nehme sie an. Dann aber hat er mir Raquel getötet, und du willst behaupten, auch ihr Tod gehöre zur Strafe für Alarcos und für meine Kühnheit? Nein, Gott hat mich so übergrausam gestraft, gerade weil ich ihm mehr am Herzen liege als andere. Gott wollte, daß er etwas gutzumachen habe an mir. Und jetzt hat er’s gutgemacht, und darum hat der Kalif abziehen müssen, und darum werde ich siegen.«
    Ein großer Zorn faßte den Rodrigue. Dieser Ritter durch und durch kniff die Augen zusammen, um in seiner Blindheit zu verharren. Aber er, Rodrigue, wird sie ihm öffnen. Er mußte jetzt hart sein; er war mitleidig, wenn er hart war. An die Wirkung denkend, die der Bericht Benjamíns auf ihn selber gemacht hatte, sagte er voll strengen Triumphes: »Der Tod Raquels gehört zu deiner Strafe. Was du so stolz bestreitest, ist die genaue Wahrheit. Raquel hat sterben müssen um deiner ritterlichen Leichtfertigkeit willen.« Und er erzählte ihm, was er von Benjamín wußte, daß Raquel und ihr Vaterden Schutz der Judería nur deshalb verschmäht hatten, weil Alfonso sie geheißen hatte, in der Galiana auf ihn zu warten.
    Erinnerung und Erkenntnis überstürzten Alfonso in jäher, ungeheurer Flutung. Der zürnende Priester hatte recht: es war seine Schuld. »Warum sind sie nicht in die Judería gegangen?« hatte höhnisch Leonor ihn gefragt, hatte er selber sich gefragt. Er hatte es nicht mehr gewußt, daß er Raquel jene Weisung gegeben hatte, er hatte es ganz und gar vergessen. Nun stand es vor ihm auf, scharf und klar. Zweimal hatte er ihr die Weisung gegeben, leichthin, beiläufig. Er hatte vieles und sehr Übermütiges geschwatzt in jener letzten Nacht, sie aber hatte all sein Geschwatz und Geprahle ernst genommen, auch seine beiläufige Weisung, sie hatte sie tief in sich einsinken lassen. Und daran war sie gestorben. Er aber hatte ihr nicht einmal Lebwohl gesagt, er war fortgeritten, ausgefüllt von seinem frivolen Heldentum, er hatte sie vergessen und war in seine dumme Schlacht gerannt. Und darüber waren seine Calatrava-Ritter untergegangen, und ihr Bruder Alazar war gefallen, und sein halbes Reich war verlorengegangen, und sie

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