Die Juedin von Toledo
Einer mußte dasein, die ausgestreckte unsanfte, unreine Hand dieses Christenkönigs zu nehmen und ihn mühevoll weiterzuzerren auf der schmalen, strengen Straße des Friedens.
Ephraim, fröstelnd in seinen vielen Kleidern, sah wirklich sehr alt und gebrechlich aus. Er sagte, und er mußte sich jedes Wort aus der Kehle zwingen: »Da du es befiehlst, Herr König, werde ich versuchen, die Geschäfte deines Landes in Ordnung zu bringen.«
»Ich danke dir«, sagte Don Alfonso.
Zögernd fuhr er fort: »Da ist noch ein anderes, das ich mit dir besprechen möchte, Don Ephraim Bar Abba. Ich habe meinem toten Escrivano nicht immer so großen Dank bezeigt, wie ich es hätte tun sollen und wie ihn mein Großvater seinem Ibn Esra bezeigte. Es drückt mich, daß man die Toten nicht einmal würdig begraben hat, sondern armselig, notdürftig. Mehrmals hab ich daran gedacht, sie auf meine Art zu bestatten und gemäß ihrem Stande. Aber ich habe es besser überlegt, und es scheint mir richtiger, daß ihr meinen toten Escrivano begrabt auf eure Weise und mit euern Ehren, ihn und auch Doña Raquel, seine Tochter, die mir sehr nahestand. Sie gehören zu euch, beide, sie gehörten bis zuletzt zu euch, und ich werde dir dankbar sein, wenn du es mit ihrer Bestattung so hältst, wie sie selber es wünschten.«
Don Ephraim sagte: »Du bist meiner Bitte zuvorgekommen, Herr König. Ich werde für alles Sorge tragen. Wolle mir aber in Gnaden vergönnen, mit der Bestattung noch eine Zeit zu warten, damit die vielen, die Don Jehuda Ibn Esra zu ehren wünschen, davon erfahren.«Bald nach Friedensschluß genas Doña Berengaria eines Knaben. Dieser künftige König von Aragon und Kastilien wurde auf den Namen Fernán getauft. Die Taufe wurde mit höchstem Prunk gefeiert; die fünf christlichen Herrscher der Halbinsel hatten sich in Saragossa versammelt, daran teilzunehmen.
Beim Festbankett saßen Alfonso und Leonor nebeneinander auf erhöhten Stühlen. Doña Leonor war schön, damenhaft liebenswürdig und hochmütig wie stets, und sie tauschte, wie die Courtoisie es verlangte, mit ihrem Manne viele höfliche Worte.
Alfonso durfte sich an diesem Tage als König der Könige fühlen und war sich seines Wertes und seiner Ehre bewußt. Vor einem Jahr war sein Land unter den Waffen der Feinde gewesen, er selber eingeschlossen in seiner Hauptstadt. Wie grimmig hatte er sich damals geschämt, wenn er an Richard von Engelland dachte. Der hatte sich in Wahrheit bewährt als der Miles Christianus, der Schrecken der Moslems, der Melek Rik. Hatte die uneinnehmbare Feste Akko erstürmt, hatte in offener Feldschlacht glorreich gesiegt über das Heer des Sultans Saladin. Wie anders heute. Die ungeheuern Verluste des Kreuzheeres waren so gut wie umsonst gewesen, ein ärmlicher Waffenstillstand war abgeschlossen, die Heilige Stadt war nach wie vor in den Händen der Ungläubigen, Richard selber, entzweit mit seinen Alliierten, saß hilflos in einem österreichischen Gefängnis. Er aber, Alfonso, thronte hier, nach wie vor der mächtigste König der Halbinsel. Und sein Enkel, den sie heute aus der Taufe gehoben haben, dieser kräftige, kleine Fernán, der wird, das war so gut wie gewiß, Aragon und Kastilien vereinigen, und vielleicht wird er sich Kaiser nennen dürfen wie sein Ahn, der Siebente Alfonso.
Allein inmitten dieses Glanzes und dieser Blüte wuchs nur die Wüste in Alfonsos Innerem. Er sah Doña Leonor und sah ihre Ödnis. Er sah seine Tochter Berengaria und sah in ihren Augen, den großen, grünen Augen der Mutter, die wilde Hoffart, den Hunger nach immer mehr Macht und Ansehen. Er war sicher, daß sie ihren Mann für schwach hielt, weil ernach seiner, Alfonsos, Niederlage nicht die Vorherrschaft der Halbinsel an sich gerissen hatte. Er war sicher, daß all ihr Sein und Denken jetzt ihrem kleinen Sohne galt, diesem künftigen Emperador Fernán, und daß sie für ihn selber, ihren Vater, nichts fühlte als Widerstreben, verächtliche Gleichgültigkeit. Er stand ihrem Sohn und ihrem Ehrgeiz im Wege, er hat aus Wollust seine Königspflicht vernachlässigt, er hat das Land, das ihr und ihrem Sohne gehörte, schon einmal fast verloren und wird es vielleicht endgültig verspielen, ehe sich ihr kleiner Fernán die Kaiserkrone aufsetzt.
Die Edelknaben, die dem König Speise, Wein, Mundtuch anboten, standen und warteten hilflos. Er sah sie nicht. Er war sich plötzlich sehr bewußt, wie einsam er war inmitten seiner fünftausend mal tausend Kastilier und
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