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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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er, Alfonso, in zwölf Jahren seinen Krieg erfolgreich führen will, muß er jetzt die Untern verhätscheln. Er muß dem Bürger und Bauern, dem Vilain einen Platz geben in seinem Rat und den Ritter in Strafe nehmen, wenn er seinen Bauern verprügelt oder dem Bürger mit guter Waffe den Pfeffersack wegnimmt. Es wird eine öde, langweilige Welt sein, es wird ein trauriges Kastilien sein, das er regiert.
    Don Ephraim jetzt erklärte den ganzen Jammer der Wirtschaft. Der Bergbau war übel heruntergekommen, die Tuchmanufakturen, die Don Jehuda zu solcher Blüte gebracht hatte, waren zerstört oder zerrüttet, die Viehherden weggetrieben, die Schafzucht, vor dem Krieg eine der Haupteinnahmequellen des Landes, gänzlich verwahrlost. Der kastilische Maravedí war entwertet; man mußte sechs kastilische für einen aragonischen Maravedí zahlen. Sollten Landwirtschaft und Gewerbefleiß nicht gänzlich verfallen, dann mußte man mit Steuernachlässen und der Gewährung vieler neuer Rechte nachhelfen. Er ging ins einzelne. Schlug vor, welche Zölle und Abgaben erleichtert, welche gänzlich aufgehoben werden sollten. Nannte Ziffern, immer neue Ziffern.
    Wenn Don Jehuda von Ähnlichem sprach, hatte sich Alfonso manchmal auf kurze Zeit fesseln lassen; dann aber hatte ihn Widerwille gegen das trockene, eines Königs unwürdige Geschäft gepackt, und es war vorgekommen, daß er eine solche Unterredung gröblich abbrach. Nun aber, und obgleich Ephraim ohne den Schwung und Glanz des Jehuda redete, nahm Alfonso wachsenden Anteil an den Ziffern, sie woben sich ihm ineinander, er fand Gefallen an der Folgerichtigkeit, mit welcher der Jude rechnete. Alfonso wollte es nicht wahrhaben und war es doch zufrieden. Es nützte nichts, die Augen zu schließen vor der neuen, widerwärtigen Zeit, man mußte sich wohl darein schicken. Andere vor ihm hatten es auch tun müssen, sehr Große und Mächtige, KönigHeinrich zum Beispiel, und er, Alfonso, hatte teuer bezahlt für seine Blindheit. »Ein Glück ist es, Herr König«, führte jetzt Ephraim aus, »daß du damals Jehuda erlaubt hast, die sechstausend fränkischen Flüchtlinge in deinem Reich anzusiedeln. Aus der Zahl dieser fähigen Männer kannst du viele Sachverständige ersetzen, die gefallen sind oder sonstwie verschwunden. Du mußt es Don Jehuda – das Andenken des Gerechten zum Segen – zugestehen, daß er –«
    Der König unterbrach ihn unvermittelt. »Ich habe dich einmal aufgefordert«, sagte er, »meinen Kronschatz zu verwalten. Du hast es abgelehnt. Wahrscheinlich hast du recht daran getan; es gab damals wenig zu verwalten, und ich hab es meinen Ratgebern schwer gemacht. Jetzt ist wohl noch weniger da, aber ich bin mittlerweile klüger geworden, das hast du vielleicht gemerkt. Ich bitte dich ein zweites Mal, mein Alfakim zu werden, oder besser mein Alfakim Mayor.«
    Ephraim hatte dieses Angebot erwartet, er hatte es gefürchtet. Er wehrte sich dagegen mit ganzer Seele. Er hatte öffentliche Ämter stets gescheut, er war alt, er wollte in den Tagen, die ihm noch blieben, in seinem Hause am Feuer sitzen, von wenigen gesehen und betreut, und in Ruhe veratmen. All sein Unwille und Haß gegen Don Alfonso stand auf. Der Mann hatte den größten Teil der Dreitausend, welche die Aljama ihm gestellt hatte, in den Tod gejagt, aus hirnloser, ritterlicher Abenteuerlust. Er hatte dem treuen Diener Ibn Esra die Tochter weggenommen und den Sohn und ihn nicht gerettet in seiner Not. Und jetzt wollte er ihn, Ephraim, vor seinen Wagen spannen für den steilen, qualvollen Weg, der vor ihm lag.
    Er sagte: »Du ehrst mich hoch. Aber die Verhandlungen in Sevilla waren aufreibend. Die Geschäfte der Aljama warten auf mich, ich bin sehr alt. Erlaß es mir, Herr König.«
    Alfonso, knabenhaft schmollend, sagte: »Ich möchte gern einen Juden zum Alfakim haben.« Die Worte kamen ungeschickt, geradezu täppisch, aber es klang in ihnen die Liebenswürdigkeit des früheren Alfonso. Ephraim, mit einem Male, sichtete das Innere des Mannes. Begriff, daß dieser willenswar, seinem toten Escrivano Genugtuung zu geben und, sich überwindend, dessen Weg weiterzugehen. Dieser Alfonso rief, und nicht ohne Angst, nach einem neuen Führer. Es wird eine lebenkürzende Aufgabe sein, das Amt zu übernehmen, da fortzufahren, wo Jehuda aufgehört hatte. Aber Ephraim gedachte der glänzenden, dringlichen, spöttischen Augen des Jehuda, er hörte seine schmiegsame, wohltönende Stimme, er gedachte ihrer letzten Zusammenkunft.

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