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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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ihrer Verehrung. Er starrte vor sich hin, sehr allein, in eine leere Welt.
    Don Rodrigue merkte bekümmert, wie Alfonso hinter der gleichmütig freudlichen königlichen Maske starr und stolz vor sich hin sinnierte. Er war voll heißen Mitleids, doch erfüllt auch von der Neugier und Besessenheit des Chronisten, und er studierte den König mit sachlicher Beflissenheit. Don Alfonso war in der Tat memoria tenax, intellectu capax, vultu vivax. Er bewahrte, Alfonso, in seinem Gedächtnis gut die Geschehnisse, er begriff sie mit seinem scharfen Verstand, er hielt sie fest und gab sie wieder durch seine Miene. Ja, eingezeichnet in Don Alfonsos Gesicht waren seine Erfahrungen, seine wilden Süchte, seine schweren, stürmischen Siege, seine bittern Niederlagen, seine Überwindungen und Erkenntnisse. Tief zerschnitten Furchen die Stirn, zerkerbten Falten die Wangen. Sein Gesicht war zur Chronik seines Lebens geworden. Heute schon schaute durch das Antlitz des Vierzigjährigen das Gesicht des Greises, der er einmal sein wird.
    Im Norden des Reiches, nahe der Grenze von Navarra, auf dem Gebiet der Barone de Haro, lebte ein Eremit, der sich härtesten geistlichen Übungen unterwarf. Er lebte in einer Höhle hoch oben in den schroffen Abhängen der Sierra deNeïla. Wie er dort sein Leben fristete, war ein Wunder. Denn er war blind. Offenbar stand er in der besondern Obhut der Vorsehung. Sie bewahrte seine Füße vor dem Abgrund und schützte ihn vor den wilden Tieren; es hieß, die Wölfe kauerten vor ihm nieder und leckten ihm die Hand.
    Büßende stiegen zu ihm hinauf und brachten ihm Gaben für seine kärglichen Bedürfnisse. Sie baten ihn, er möge ihnen die Hände auflegen; es ging Gnade aus von seinen Händen. Auch konnte er durch Berührung des Gesichtes ertasten, ob ein Sünder und wie weit Gottes Verzeihung erlangt habe.
    Und der Ruhm des Einsiedlers und seiner frommen Fähigkeiten verbreitete sich übers Land.
    Es war aber der Eremit jener Diego, den damals vor seiner ersten, siegreichen Schlacht bei Alarcos Alfonso hatte blenden lassen, weil er auf Wachtposten geschlafen hatte.
    Nun waren die Barone de Haro, deren Dienstmann Diego war, schwierige Vasallen, dem König nicht gewogen. Sie erklärten, die Stadt Toledo sei durch die wüsten Ereignisse der letzten Jahre voll von Sünden, und forderten Diego auf, hinzugehen; der Besuch des Heiligen werde die Gewissen wecken. Die de Haros hofften aber, durch die Anwesenheit des Diego in der Hauptstadt dem König Ungelegenheiten zu bereiten.
    Die Leute von Toledo strömten denn auch herbei, den gnadenreichen Mann zu sehen und zu verehren, und immer lauter wurde ihr Wunsch, es möge auch der König aus der Gegenwart des Wundertätigen Nutzen ziehen. Sie hatten, wenn Don Alfonso strahlend an der Seite der Fermosa durch die Straßen ritt, teilgehabt an seiner herzwärmenden, nicht erlaubten Lust, sie hatten sie selber mitgenossen, sie hatten ihm zugejubelt, und der Tag, an dem sie ihm begegneten, war ihnen ein Festtag gewesen. Wenn sie jetzt Alfonso sahen, spürten sie ehrfürchtiges Mitleid, Scheu, ein feines Grauen vor dem Gezüchtigten, Gezeichneten. Sie wünschten ihm volle Entsühnung und glaubten, der Heilige könne ihm dazu verhelfen.
    Rodrigue sah in dem Gewese, das um Diego gemacht wurde, nichts als Aberglauben und Unfug, er witterte auchdie böse Absicht der de Haros und riet dem König, sich nicht um Diego zu kümmern.
    Diesem selber war der Mann lästig. Eine nachträgliche Scham brannte ihn, wenn er daran dachte, wie selbstgefällig er Raquel erzählt hatte von jener Blendung und von seinem Spruch für den Pflichtvergessenen. Er erinnerte sich, wie sich damals das lebendige Gesicht Raquels zugesperrt hatte, erst jetzt wußte er, warum.
    Aber er hatte wahrgenommen, mit welcher Scheu die Leute auf ihn blickten, er begriff sie, er begriff ihren Wunsch, daß er mit dem Heiligen zusammenkomme. Auch wandelte ihn wachsende Neugier an, was denn nun aus diesem Diego geworden sei. Und hatte wirklich er, Alfonso, ohne es zu wissen und zu wollen, den Mann zu einem Heiligen gemacht?
    Er erinnerte sich, da der Blinde vor ihm stand, genau des Diego von damals. Der war ein breiter Bursch gewesen, trotzig, selbstbewußt, ein wenig dem Castro ähnelnd, und war dieser hier wirklich der Diego, den er hatte blenden lassen? Alfonso wurde befangen, er bedauerte, daß er den Mann gerufen hatte, er wußte nichts zu sagen, und auch der andere schwieg.
    Schließlich, halb gegen seinen Willen,

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