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Die Juweleninsel

Die Juweleninsel

Titel: Die Juweleninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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betreffende Dame Aufnahme bei den frommen Schwestern gefunden hat. Jetzt nun ist es vollständig dunkel, und ich will gehen. Ich hoffe, daß Sie mich nicht lange warten lassen!«
    Er schritt, während der Prior durch das Thor trat, die Straße entlang bis zu der Kapelle, hinter welcher er heute den Neffen des Schloßvogtes getroffen hatte, lenkte dann um dieselbe herum und erreichte die Mauer und das Pförtchen, durch welches er zu treten hatte. Der Schlüssel paßte; die Thür ging auf und wurde von innen wieder verschlossen. Der Prinz hatte die Ueberzeugung, daß er einem höchst interessanten Abenteuer entgegengehe. –Unterdessen saß Toska in ihrer Wohnung, welche noch kein Mensch geöffnet und wieder betreten hatte. Die Dämmerung war gekommen und der Abend hereingebrochen. Sie hatte kein Licht, um das Zimmer zu erleuchten, aber das Dunkel war ihr wohlthätig. Sie hielt die Augen geschlossen und ließ all ihr Herzeleid und Bangen, alle ihre Hoffnungen und Wünsche an sich vorüberziehen. Ihr war, als sei ein schweres Rad zermalmend durch ihre Seele gegangen, aber nicht diese Seele, sondern nur die Liebe, welche dieselbe bisher erfüllt hatte, war vernichtet worden. Sie fühlte die Kraft in sich, sich zu wehren und zu vertheidigen, und hielt den Griff des Messers, welches sie noch nicht wieder von sich gelegt hatte, fest mit der kleinen Hand umschlossen, die trotz ihrer Zartheit doch im Stande war, eine Waffe kunstgerecht zu führen.
    So verging Stunde um Stunde. Sie vermuthete, daß heute irgend etwas gegen sie unternommen werde, aber Niemand kam, kein Schritt ließ sich hören, und die Schloßuhr schlug Mitternacht, ohne daß sich draußen auf dem Korridore etwas geregt hätte. Da endlich, horch! Waren das nicht Laute, als ob sich jemand leise und heimlich nahe? Sie horchte. Sie hatte die Thür auch von innen verriegelt, und Niemand konnte eintreten. Da wurde die Klinke niedergedrückt, und als die Thür nicht nachgab, ließ sich ein vorsichtiges Klopfen vernehmen.
    »Wer ist draußen?« frug Toska.
    »Ich bin es, Komtesse. Bitte, öffnen Sie!«
    »Wer denn?«
    »Die Kastellanin!« flüsterte es.
    »Ich öffne während der Nacht keinem Menschen.«
    »So sind Sie verloren. Haben Sie Vertrauen zu mir?«
    »Was wollen Sie?«
    »Ich will Sie retten.«
    Toska war überrascht. Die Kastellanin war ihr nie als ein Weib erschienen, zu dem man ein besonderes Vertrauen haben konnte. Sollte sie etwa nur hinausgelockt oder durch eine so plumpe List vermocht werden die Thür zu öffnen? Aber wenn es wirklich Rettung sein sollte, die einzige Rettung aus den Händen dieses verhaßten gewissenlosen Menschen, war es dann klug sie zurückzuweisen? Sie bot sich ganz sicher nicht so bald oder vielleicht gar niemals wieder.
    »Mich retten? Womit?«
    »Ich führe Sie heimlich aus der Burg.«
    »Wirklich? Wer gibt mir Sicherheit, daß Sie es ehrlich meinen?«
    »Ich gebe Ihnen mein Wort. Sie haben mich schon längst gedauert, Sie armes junges Blut, und ich habe heute das Gelübde gethan Sie zu retten. Vertrauen Sie mir!«
    Diese Worte klangen wohl gut und schön. Aber sollte die Kastellanin wirklich ein so mitleidiges, muthiges und entschlossenes Herz besitzen, die Stellung ihres Mannes und ihre eigene Sicherheit durch die Befreiung einer Gefangenen, die ihr noch gar nichts geboten hatte, auf das Spiel zu setzen?
    »Sprechen Sie die Wahrheit?«
    »Ich habe es der heiligen Mutter Gottes gelobt, Sie aus dem Schlosse zu bringen.«
    »Schwören Sie es!«
    »Ich schwöre es bei allen Heiligen und bei meiner Seligkeit! Ich habe einen Ihrer Anzüge bereits mitgebracht. Sie sollen ihn anlegen und werden mir heimlich folgen.«
    »So treten Sie ein!«
    Sie öffnete vorsichtig, so daß nur ein Raum für eine einzige Person blieb, und fühlte sich allerdings außerordentlich erleichtert, als sie bemerkte, daß die Kastellanin allein sei. Hinter derselben wurde die Thür wieder verschlossen.
    »So ist es also doch Ihr Ernst mich von hier fortzubringen.«
    »Ja, mein heiliger Ernst. Ich weiß, welche Gefahr ich laufe. Mein Mann wird wohl seine Stelle verlieren, aber ich denke, daß die gnädige Komtesse sich dann ein wenig unserer annehmen werden.«
    »Ja, das werde ich thun, gute Frau; ich verspreche es Ihnen hiermit sowohl mit der Hand als auch mit dem Herzen. Ich bitte Sie auch um Verzeihung für den Mangel an Freundlichkeit und Vertrauen, den ich Ihnen stets gezeigt habe!«
    »O, daran war ich selbst schuld! Ich durfte ja nicht zeigen, wie

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