Die Juweleninsel
Brod notirt. Und diese Anstaltsbeamten sagen, daß der Gefangene keinen Willen habe, sie wollen ihn als Gegenstand irgend einer Besserungsmethode behandeln!
Wieder ging es über mehrere Höfe bis vor eine Thür.
»Den Herrn da drinnen hast Du ›Herr Arbeitsinspektor‹ zu tituliren!« bedeutete der Aufseher und schob dann den Gefangenen in das Zimmer.
Der Beamte war noch jung und hatte ein wohlwollendes Gesicht. Die stramme Uniform stand ihm recht gut, und es sah ganz so aus, als ob er sich dessen auch bewußt sei. Auch hier blieb der Aufseher vor der Thür, um seinen Pflegling draußen zu erwarten.
»Was bist Du?« frug der Inspektor gerade so wie vorher der Arzt.
»Schiffer.«
»Schiffer, also kräftig.« Er blätterte dabei in einigen Papieren herum. »Hier finde ich, daß Du vom Arzte zwei Pfund Brod erhalten hast; da mußt Du auch arbeiten können. Gesund bist Du?«
»Ja.«
»Hast Du vielleicht außer Deinem Berufe nebenbei ein Handwerk betrieben?«
»Nein,« antwortete er niesend und sich dann die Augen wischend.
»Aber im Winter, wo der Fischfang und die Schifffahrt feiert, was hast Du da gethan?«
»Hm,« räusperte sich der Gefangene verlegen, während der Schreiber, welcher an einem Seitentische beschäftigt war, der Scene mit Spannung folgte.
»Ach so, ich verstehe! Nichts hast Du gemacht. Gespielt, was?«
»Blos Abends,« entschuldigte sich Hartig.
»Und am Tage?«
»Geschlafen.«
»Schön! Das heißt also, Du hast vom Abend bis an den Morgen gespielt und dann den Tag verschlafen. Hast Du Weib und Kinder?«
»Ja.«
»Also Familie, und ein so lüderliches Leben! Scheinst mir ein sauberer Kerl zu sein! Ich werde Dir eine Arbeit geben, bei der Du mir nicht so leicht einschlafen sollst. Das sage ich Dir: das Pensum ist sehr schwer, bringst Du es aber nicht, so hilft Dir Deine doppelte Brodration nichts; ich gebe Dir Kostentziehung, und zwar genug!«
Der gute Inspektor war wirklich in Rage gekommen, auch mit dem Schreiber schien dies der Fall zu sein. Er erhob sich und trat näher.
»Und auch unordentlich ist er,« meinte er, der seinen Vorgesetzten sehr gut kennen mußte, um diese Theilnahme am Gespräche zu wagen. »Dieser Knopf ist auf, und das Halstuch guckt hinten über den Kragen in die Höhe. Die Herren Aufseher sehen nicht darauf. Ich habe nur immer nachzubessern, damit die Leute anständig vor dem Herrn Inspektor erscheinen!«
Dabei knöpfte er ihm die aufgesprungene Jacke zu und nestelte emsig an dem Halstuche herum. Dann trat er wieder zurück und setzte sich mit zufriedener Miene nieder.
»Richtig ist es,« meinte der Inspektor. »Wenn ein Zuwachs kommt, muß ihn mein Schreiber immer in das Geschicke richten. Ich werde mich beschweren. Also, was geben wir Dir für Arbeit?« Er sann eine Weile nach und meinte dann zu seinem Schreiber: »Notiren Sie ihn unter die Schmiede, und besorgen Sie das Uebrige. Ich habe mich zu beeilen, daß ich den Zug nicht versäume. Du aber kannst jetzt gehen!«
Hartig verließ das Gemach und wurde von seinem Aufseher in seine Zelle zurückgeführt. Er blieb dort nicht lange allein, denn bald wurde wieder geöffnet und der Aufseher trat in Begleitung des Anstaltskoches herein.
»Also dies ist der Mann?« frug der letztere, den Gefangenen musternd.
»Ja, er hat ungeheures Glück,« antwortete der Aufseher. »Wird mit zwanzig Tagen Kostentziehung eingeliefert und bekommt doppeltes Brod und Beschäftigung in der Küche, während andere sich Jahre lang zu einem solchen Posten melden und immer wieder abgewiesen werden. Ich bin neugierig, wie der Herr Direktor die Kostentziehung mit der Küchenarbeit und der Brodration zusammenreimen wird.«
»Das ist nicht unsere Sache,« meinte der Koch. »Es liegt hier jedenfalls ein Versehen vor, ich aber habe mich nach der Notiz des Herrn Arbeitsinspektors zu richten und diesem hier zu sagen, daß er morgen früh in der Küche antreten wird. Besorgen Sie ihm eine weiße Schürze und eine Küchenmütze.«
Unterdessen stand der Schreiber des Arbeitsinspektors an seinem Fenster und blickte hinaus auf den Hof. Er war allein, denn sein Vorgesetzter hatte die Anstalt verlassen, um seiner vorhin gethanen Aeußerung nach eine Reise zu unternehmen. Der Schreiber schien von einer peinigenden Unruhe erfüllt zu sein, und immer wieder zog er den Zettel hervor, welchen er unter dem Halstuche des Zuganges herausgenommen hatte. Dieser war in französischer Sprache verfaßt und lautete zu deutsch: »Endlich ist es Zeit, wie
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