Die Juweleninsel
längs der Mauer hin und gelangten in das offene Feld. Hier sahen sie einen schmalen Fußpfad, welcher zum nächsten Dorfe führte und, wie sich von hier oben leicht bemerken ließ, jetzt nicht begangen war. Ihn schlugen sie ein.
»Nun können Sie uns wohl auch sagen, auf welche Weise Sie in Verbindung mit der Außenwelt gelangten,« meinte der frühere Irrenhausdirektor zu Raumburg.
»Das war nicht so schwierig, als ich vorher meinte,« antwortete dieser. »Als Badewärter hatte ich sehr oft in der Küche zu thun, des heißen Wassers wegen. Der Fleischer, welcher das wenige Fleisch, das in das Anstaltsessen geschnitten wird, zu liefern hat, kommt täglich des Morgens zu einer bestimmten Stunde, um dasselbe abzugeben. Er gehört zu denjenigen nicht amtlichen Personen, denen der Zutritt ohne besondere vorherige Anmeldung gestattet ist. Als ich ihn zum ersten Male sah, erkannte ich in ihm einen früheren Ulanen, der, als ich noch den Grad eines Rittmeisters besaß, mein Bursche gewesen war. Er war ein treuer williger Kerl gewesen, und ich hatte ihn bei seiner Verabschiedung unterstützt, so daß er heirathen und eine eigene Fleischerei anfangen konnte. Er war mir also einige Dankbarkeit schuldig. Er erschrak förmlich, als auch er mich erkannte, ließ sich aber nichts weiter merken. Aus einigen Worten, welche er scheinbar an den Koch richtete, hörte ich, daß er mich wiedersehen wolle, und so suchte ich es einzurichten, daß ich am nächsten Tage zu derselben Stunde wieder in die Küche mußte. Er ließ ein zusammengewickeltes Papierchen fallen, auf welches ich den Fuß setzte, um es dann unbemerkt aufzuheben. Er frug mich in den wenigen Zeilen, welche es enthielt, ob er etwas für mich thun könne, und erklärte sich zu allem bereit, was ich von ihm wünschen werde. Ich hielt mich in fortwährendem Verkehre mit ihm und ließ durch ihn einen Brief an Prinz Hugo von Süderland abgehen.«
»Den tollen Prinzen?«
»Ja. Dieser antwortete mir, daß er gern nach Kräften für mich handeln und sorgen werde, und hat mir einen Vertrauten geschickt, der mich mit einem Wagen erwartet, um uns über die Grenze und dann einstweilen in ein sicheres Asyl zu bringen.«
»Werden auch wir dem Prinzen willkommen sein?«
»Ich verbürge mich dafür.«
»Dann gestatte ich mir in Beziehung auf unsere Reise nach der Grenze einige Bedenken.«
»Welche?«
»Es ist zu Wagen nicht geheuer dort, wir Beide haben dies zur Genüge erfahren.«
»Ah, ich weiß, daß Sie da oben gefangen worden sind.«
»Allerdings. Die Bahn können wir freilich nicht benutzen, aber der Wagen bietet uns bei den wenigen Pässen, welche durch das Gebirge führen, ganz dieselbe Gefahr. Man wird bei der Nachricht von unserer Flucht diese Pässe sofort besetzen, so daß ein Wagen nicht passiren kann ohne durchsucht zu werden.«
»Hm, das ist richtig! Es wäre da wohl vortheilhafter, wenn wir die Tour zu Fuße machten. Da kann man leichter ausweichen und ist freier und ungebundener in allen seinen Bewegungen. Ich möchte mich beinahe dafür entscheiden. Was sagen Sie dazu?«
»Ich rathe es sehr.«
»Gut, so sei es entschieden. Aber heut und morgen kommen wir noch nicht in die Berge. Da nehmen wir den Wagen. Dort ist das Dorf. Aber kommt uns da nicht ein Mann entgegen?«
»Ein Spaziergänger.«
»Es scheint so, denn er schlendert dahin, als ob er sich nur ein wenig ausgehen wolle. Aber, hat er nicht etwas in der Hand?«
»Allerdings. Es scheint eine Peitsche oder etwas dem Aehnliches zu sein.«
»Wenn es eine Peitsche ist, so ist er unser Mann. Es ist ausgemacht, daß er dieses Erkennungszeichen mit sich führen und so viel wie möglich gegen die Anstalt zu patroulliren soll. Sehen Sie, auch er hat uns bemerkt und bleibt stehen. Er ist es jedenfalls.«
Sie kamen näher. Er zog die Mütze und grüßte höflich. Raumburg dankte und frug:
»Sagen Sie einmal, lieber Mann, sind Sie da aus diesem Dorfe?«
»Nein.«
»Woher sonst?«
»Weit her.«
»Was thun Sie hier?«
»Ich warte.«
»Ah, richtig! Sie sind aus Himmelstein?«
Der Mann nickte erfreut. Er wußte jetzt, daß er nicht umsonst gewartet habe.
»Ja, meine Herren.«
»Wohl ein Schloßbedienter des Prinzen?«
»Der Schloßvogt selbst. Welcher von den Herren ist es, den ich fahren soll?«
»Wir sind es alle Drei.«
»Ah, ich weiß nur von Einem!«
»Thut nichts. Ich bin Derjenige, an den Sie adressirt sind, mein Name ist von Raumburg. Diese Herren hier sind meine Freunde, welche ich Ihrem
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