Die Kälte in dir (German Edition)
der Sozialhilfeempfängerin der überlassene Geldbetrag kein Glück gebracht, sondern vermutlich das Gegenteil bewirkt. Nachdem die Polizei sie wegen des Mordes an Osswald zur Vernehmung bestellt hatte, befürchtete sie wohl, eine Erklärung für ihren Geldsegen abliefern zu müssen. Diesen Moment der Unschlüssigkeit und des Zögerns musste Schwarz für sich ausgenutzt haben, um sie vom Polizeipräsidium weg hinunter an die Rems zu locken.
Darüber, wie der Täter auf die Frau aufmerksam geworden war, wie die Kontaktaufnahme und der darauf folgende Mord abgelaufen waren, konnte bis zum jetzigen Zeitpunkt keine plausible Aussage getroffen werden.
Gleiches traf auf die Tötungen von Dr. Arthur Lorenz und Werner Finckh zu. Der Arzt hatte vermutlich sterben müssen, weil er zu viel über Bruno Schwarz gewusst hatte. Im Gegensatz zu Werner Finckh, bei dem bedauerlicherweise vieles darauf hindeutete, dass er ein Zufallsopfer geworden war, allein ausgewählt aufgrund seiner untersetzten Statur.
Über ihnen kreiste ein Raubvogel. Die Weinberge waren ein beliebtes Brutgebiet.
Bussard, Falke, Milan?
Daniel senkte den Blick und sah Kristina an, die stier geradeaus blickend neben ihm herging. Sie hatte winzige Schweißperlen auf der Nase. Ihre Miene wirkte entrückt. Sie kam von den Ereignissen genauso wenig los wie er.
Sampo hatte gemunkelt, die Rote Zora hätte ein Gespräch mit dem Polizeipsychologen geführt. Weitere Sitzungen waren anberaumt. Vielleicht sollte Daniel diese Möglichkeit auch für sich in Erwägung ziehen. Immerhin war er es gewesen, der die Geschehnisse vor einer Woche beendet und damit ein weiteres Leben zerstört hatte.
Aber wollte er wirklich zu einem Therapeuten? Bislang quälten ihn keine Albträume. Er schlief zwar nach wie vor schlecht, aber das war auch schon vor dem Fettmörder so gewesen. Allerdings wusste er, wie unberechenbar die Psyche werden konnte, wenn sie erst einmal einen Sprung hatte. War er nach all den schrecklichen Ereignissen wirklich heil geblieben?
Als Daniel Doreen Mezger mit der Axt zu Boden gerissen hatte, war sie auf die nahen Treppenstufen geprallt. Der Sturz verursachte eine Halswirbelfraktur, die eine irreversible Querschnittslähmung zur Folge hatte. Womit Doreen Mezgers Zukunft und vor allem ihr unbändiger Kinderwunsch mit einer Endgültigkeit erstarben, die nicht weniger tragisch waren als der Tod selbst. Vielleicht hatte sie deshalb beschlossen, kein Wort mehr zu sprechen. Alle Verhöre, die nach ihrem Erwachen in der Klinik erfolgt waren, hatten bisher in von den Ermittlern oder vom Staatsanwalt geführten Monologen geendet.
Warum die Frau geglaubt hatte, durch das Töten der Polizisten, die auf der Suche nach dem psychopathischen Mörder in ihr Haus eingedrungen waren, alles ungeschehen machen zu können, blieb ein unbeantwortetes Rätsel.
Auch ihr Ehemann, Karl Mezger, den der Remstalschlächter mit Medikamenten ruhig gestellt hatte und der von den bedenklichen Vorfällen auf seinem Hof laut seinen Beteuerungen nichts gewusst hatte, hatte es nicht geschafft, seine Frau zu einer Aussage zu bewegen. So blieb ebenfalls unklar, ob seine Gattin den Pensionär Egon Osswald allein aus Geldgier oder womöglich auch aus Rache für den beruflichen Absturz ihres Vaters mit dem Beil erschlagen hatte.
Kristina und Daniel umrundeten den Sörenberg und wanderten schweigend durch die Streuobstwiesen auf den Korber Kopf zu, dessen bewaldeter Rücken mit den dunklen Fichten sich in scharfem Kontrast vom Azur des Himmels abgrenzte. Daniel konnte das monotone Rauschen der Bundesstraße hören, die diese hügelige Landschaft zerteilte. Bald würde auch der Parkplatz in Sicht kommen.
Daniel malte sich aus, wie Kristina sich anstellen würde, wenn er sich statt ihrer hinters Lenkrad ihres Heiligtums setzte. Ein Gedanke, der ihn aufmunterte.
Ja, es gab durchaus auch gute Nachrichten. Kriminalkommissar Ralf Winkler hatte gerettet werden können. Die beiden Axthiebe in den Oberkörper, die ihm Doreen Mezger versetzt hatte, waren trotz des erheblichen Blutverlusts nicht lebensbedrohlich gewesen, da sie keine inneren Organe getroffen hatte. Die Ärzte hatten eine völlige Rekonvaleszenz angekündigt, allerdings würde der Beamte wohl noch eine Weile ausfallen.
Sicher ging es auch bei Winkler nicht nur um die physische Genesung, sondern um die Traumabewältigung. Wer einmal einen acht Zentimeter breiten Stahlkeil zwischen seinen Rippen gespürt hatte, dachte gewiss intensiv über den
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